Dass Du nicht "primatenhaftes" Verhalten empfehlen wolltest, war schon klar, Du hast ja extra wischen "menschenartig" und "menschenwürdig" unterschieden :)
("antrainieren", wie ich sagte, klingt vielleicht etwas zu sehr nach Dressur) - das ist auch einer der Punkte, wo die Weltanschauungen auseinander gehen. Sigmund Freud hielt die Sexualität des Säuglings für "polymorph pervers", wenn man ihm zu viel Freiheit gibt, würde er mit etwa 36 Monaten die Familie tyrannisieren. Bei so einem Menschenbild ist klar: Hier muss gegengesteuert, "erzogen", "programmiert", "dressiert" werden. Der Säugling: eine Ansammlung wilder animalischer Triebe, die erst durch Kulturarbeit zurückgedrängt, subblimiert werden müssen. "Moral" wird dann etwas, was dem Menschen "eingebläut" wird.
Demgegenüber humanistische Ansätze, die meinen, jeder Menschen ist von Geburt an zum Guten veranlagt, und wenn es sich nicht entwickelt, dann liegt das ausschließlich daran, dass die Umwelt das verhindere (genauso wie eine Pflanze, die nicht genug Licht, Luft und Erde bekommt, verkrüppelt wächst). Solche Kinder würden immer nur einem "Sollen" unterworfen (tu dies, lass jenes), sodass es gar nicht zu dem Punkt kommt, wo sie aus ihrem eigenen Wollen leben. Das ständige Diktat des Sollens führe dazu, dass auf die Stimme des Gewissens (der moralischen Intuition, der eigenen Bedürfnisse) nicht mehr gehört wird, denn was diese sagt lässt sich unter den Zwängen des Sollens nicht realisieren.
Wer von uns kennt nicht Kinder, die, wenn sie nicht gleich kriegen, was sie haben wollen, zu plärren beginnen und zwar so lange, bis es die Mutter nicht mehr aushält und ihnen gibt, was sie wollen? Aber wer kennt nicht auch Fälle, wo man gerne auf gewissen Weise gehandelt hätte, aber unter dem Druck der Gruppe dann etwas tat, wofür man sich eher schämen sollte, was aber scheinbar dadurch gerechtfertigt war, dass man sich gruppenkonform verhalten hatte und dass man dadurch verhindern konnte, aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden.
Eine andressierte Verhaltensweise, eine "hineingestopfte" Ethik kann per Definition nicht als "moralisch" bezeichnet werden, da es dafür sowohl des eigenen Entschlusses als auch der eigenen Einsicht bedarf. Wenn es jedoch an eigener Einsicht mangelt, dann wäre es mir in vielen Situationen immer noch lieber, wenn die entsprechende Person sich wenigstens durch andressierte Verhaltensweisen nicht weiter störend in der Gesellschaft bewegt. Beispiel: Wenn schon wer nicht einsieht, dass es verwerflich ist, zu stehlen (und es folglich bleiben lässt), dann wäre es vielleicht als zweitbeste Lösung nicht schlecht, wenn er sich zumindest durch die Strafandrohung von der Ausführung der Tat abhalten ließe.