Das 2006 entstandene Projekt Wikileaks ist eine anonyme Wikipedia-Variante. Generell funktioniert Wikileaks wie Wikipedia, hat mit der "normalen" Freien Enzyklopädie allerdings keine geschäftliche Verbindung. Der erhebliche Unterschied: Wikileaks gestattet es Teilnehmern, Beiträge anonym einzustellen.
Durch spezielle Anonymisierungs-Techniken (SSL, Tor, Freenet, PGP) ist eine Rückverfolgung der Wikileaks-Teilnehmer nahezu unmöglich. Die Plattform mit ihren weltweit verteilten Servern richtet sich damit unter anderem gegen staatliche Zensur und Unterdrückung. Aufgrund der Anonymität tauchen bei Wikileaks natürlich alle Weile auch brisante Informationen auf.
Am Montag den 24. März, 21 Uhr, wurden die Wohnungen des Domaininhabers von wikileaks.de - Theodor Reppe - von Polizeibeamten durchsucht. Als Gründe waren im Durchsuchungsbefehl die "Verbreitung pornographischer Schriften" und das "Auffinden von Beweismitteln" in diesem Zusammenhang angegeben.
Der Wikileaks.de Domain-Inhaber hat selbst zwar keine diesbezüglichen Beiträge eingestellt, anonyme Teilnehmer haben auf Wikileaks allerdings unter anderem Internet-Zensurlisten aus Australien, Thailand und Dänemark veröffentlicht. In diesen "Link-Listen" waren auch zensierte pornografische Webseiten aufgeführt.
Wikileaks hat jetzt in einem Editorial über die Hausdurchsuchung berichtet. Dabei wird aufgeführt, dass einige Details der Durchsuchung Fragen aufwerfen:
- Wikileaks wurde nicht kontaktiert, obwohl zwei Journalisten anerkannte Mitglieder des Deutschen Presse Verbandes (DPV) sind.
- Die Zeit von mindestens 11 Polizeibeamten wurde verschwendet um eine sinnlose Hausdurchsuchung bei einem freiwilligen Helfer einer Medienorganisation vorzunehmen.
- Die Polizei fragte nach Passwörtern zur Wikileaks.de Domain, und forderte die Abschaltung der Domain.
- Herr Reppe wurde nicht zu seinen Rechten belehrt, wie dem Protokoll zu entnehmen ist.
Entgegen der Feststellung im Protokoll, hat Herr Reppe nicht auf einen Zeugen verzichtet und es wurde auch kein Polizeibeamter als Zeuge nominiert.
Theodor Reppe hat sich aufgrund dieser Mängel schließlich geweigert, das Durchsuchungs-Protokoll der Polizei zu unterschrieben.
Michael Nickles meint: Wieder mal ein Fall, wo Journalisten, die um Presse- und Meinungsfreiheit kämpfen, den Würgegriff der Stasi 2.0 zu spüren kriegen. Wieder mal wird ein "Plattform-Betreiber" für Inhalte verantwortlich gemacht, die von anonymen Teilnehmern eingestellt wurden.
Es reicht halt einfach aus, das Stichwort "Pornografie" auf den Tisch zu werfen und dann sind alle Mittel gerechtfertigt. Noch mal nachlesenswert ist die Forderung der Polizei (laut Wikileaks-Editorial), Wikileaks.de abzuschalten. Die scheinen nicht kapiert zu haben, dass Wikileaks eine internationale Sache ist (wikileaks.org) und die Abschaltung der deutschen Domain schlichtweg sinnlos wäre.