Strafanzeige wegen Verdachts auf schwerwiegende Erpressung und Betrugs, hat die im Redtube-Abmahnskandal involvierte Kanzlei U+C von der Hamburger Anwaltskanzlei Müller Müller Rößner (MMR) kassiert. Vor wenigen Tagen hat die Hamburger Staatsanwaltschaft die Aufnahme der Ermittlungen bestätigt. Rechtsanwalt Carl Christian Müller von der Kanzlei MMR hat in einem Gespräch mit der FAZ jetzt die Beweggründe für die Strafanzeige erklärt.
Müller erklärt im Kern, dass ein Anwalt, der über zehntausend Abmahnungen verschickt, nicht nur gegenüber seinem Auftraggeber verpflichtet sei. Er habe als Organ der Rechtspflege auch gegenüber den generell rechtsunkundigen Abgemahnten eine Verantwortung zu tragen.
Bei bestehenden Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Abmahnung, sollte ein Anwalt seine Tätigkeit unterlassen. Im vorliegenden Fall des abmahnenden Anwalts Urmann erklärt Müller, dass dieser im Hinblick auf seine Spezialisierung auf Urheberrecht bereits hätte wissen müssen, dass der Abruf von Videostreams kein Rechtsverstoß ist.
Dass ein Anwalt trotz dieser Sachlage Abgemahnten unterstellt, sie hätten eine Rechtsverletzung begangen und mit strafrechtlichen Konsequenzen droht, sei als Nötigungshandlung einzustufen. Im Hinblick auf vermutlich rechtswidrige Bereicherungsabsicht sowie gewerbsmäßiges und bandenmäßiges Handeln, ist Müller der Ansicht, dass auch der Strafbestand schwerer Erpressung im Raum steht.
Im Gespräch mit der FAZ bestätigte Anwalt Müller, dass auch er Abmahnungen verschickt und diese als sinnvolles juristisches Mittel betrachtet. Er verwende dieses Instrumentarium aber nicht für Massenabmahnungen, sondern nur in Einzelfällen und nicht nur im Urheberrecht, sondern auch im Presserecht. Die Abgemahnten seien dann typischerweise Internetportale oder gewerblich Agierende.
Um zweifelhafte Massenabmahnungen einzudämmen sieht Müller Nachbesserungsbedarf seitens des Gesetzesgebers. Bei der aktuellen Gesetzeslage sind Privatkopien beispielsweise nur dann zulässig, wenn keine offensichtlich illegal bereitgestellte Vorlage kopiert wird. Da aber offensichtlich nicht mal das Landgericht Köln in der Lage war, das richtig zu beurteilen, hat auch ein normaler Verbraucher wohl kaum eine Chance dazu.
Um Verbraucher vor unberechtigten Massenabmahnungen zu schützen, empfiehlt Müller, dass der Gesetzgeber darüber nachdenkt, in Deutschland Sammelklagen zuzulassen. Dann hätten Betroffene die Möglichkeit, sich effektiv gemeinsam zu wehren. Das aktuelle Problem wirtschaftlich sinnloser Einzelklagen würde dann entfallen. Und bereits die drohende Möglichkeit einer Sammelklage könne Massenabmahner bereits abschrecken.
Die ganze Redtube-Geschichte stinkt von vorne bis hinten. Zwei Dinge sind von zentraler Bedeutung, müssen Konsequenzen haben. Zum einen müssen die Richter zur Verantwortung gezogen werden, die die Herausgabe der Adressen durchgewunken haben.
Es kann nicht sein, dass inkompetente Richter zu solchen Entscheidungen befugt sind. Dafür gibt es keine Ausreden. Wenn ein Gericht überlastet ist, dann muss der Abmahner eben so lange Warten, bis kompetente Richter Zeit für die Sache haben.
Weiter gewichtiger Punkt ist, dass Kanzleien, die sich wissentlich für krumme Geschäfte einspannen lassen, auch als Mittäter rangenommen werden. Ich bin sehr gespannt, was bei den Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen U+C rauskommt. Und vor allem: wie lange das dauert!