Hallo zusammen!
Mit dem Begriff der "Netzneutralität" wird vielleicht nicht jeder spontan etwas anfangen können - die Wikipedia hat auch hier wieder, wie so oft eine gute Erklärung parat: http://de.wikipedia.org/wiki/Netzneutralit%C3%A4t. Da es sich bei dieser Netzneutralität um eine gute und erhaltenswerte Sache handelt, hat sich nun eine politische Initiative gegründet, die Bestrebungen entgegenwirken will, dass Bandbreite in Zukunft "an den Meistbietenden" vergeben wird: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Initiative-Pro-Netzneutralitaet-gegruendet-1054034.html
Ehrlich gesagt... ich bin skeptisch, ob diese Iniative große Chancen hat: für ein freies Internet ohne staatliche oder wirtschaftliche Eingriffe - weder das eine noch das andere wird sich verhindern lassen. Der Staat kann mit immer schwachsinnigeren Gesetzen das Internet zu Tode regulieren, ohne dass wir uns ernsthaft dagegen wehren können.
Da es im Internet um nicht wenig Geld geht, Bandbreite außerdem teuer ist und irgendwie finanziert werden muss, zumal die Web-Inhalte immer fetter werden, sind auch "wirtschaftliche Eingriffe" auf Dauer nicht zu vermeiden - das Internet ist eh Teil der Privatwirtschaft. Eher werden Staat und Wirtschaft Hand in Hand das Internet in der Form, wie wir es kennen, zerstören.
Was eines Tages bleiben wird, ist die schöne Erinnerung an ein richtig geiles Stück Freiheit, so ca. zwischen 1995 und 2005.
CU
Olaf
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Hi Olaf,
die Thematik ist auch für mich neu und ich bin erst durch die Meldungen der letzten Tage auf dieses Thema aufmerksam geworden.
Allerdings habe ich mir noch keine Meinung dazu gebildet - mir fehlen noch zu viele Informationen dafür.
Wie im Wikipedia-Artikel durch einige Beispiele belegt ist, gibt es die uneingeschränkte Netzneutralität ja schon jetzt nicht mehr.
Aber was wäre so schlimm, wenn Anbieter von datenintensiveren Diensten für die Netznutzung mehr zahlen müssten als Anbieter von anderen Diensten? Was würde sich für die Endverbraucher ändern?
Es würden doch wieder die üblichen marktregulierenden Mechanismen greifen.
Bsp:
Ein Fernsehsender will sein komplettes Programm im Netz anbieten. Er braucht eine hohe Bandbreite und zahlt deswegen mehr für die Netznutzung.
Wenn er diese Kosten auf die Nutzer umlegen will, müssen sich die Nutzer überlegen, ob sie diesen Sender (im Netz) sehen wollen oder nicht. (Und wie "gut" Pay-TV hier in Deutschland läuft, kann man ja am Beispiel SKY gut erkennen.)
Nutzer, die das nicht wollen, zahlen halt nicht und der Anbieter muss sich überlegen, wie er sein Geschäftsmodell gestaltet.
Schon jetzt konkurrieren bezahlte und kostenlose Inhalte im Netz. Ist das ein Problem?
Den Anbietern datenintensiverer Dienste keine höheren Gebühren in Rechnung zu stellen heißt doch, dass alle (auch die, die sowas nicht nutzen) gleichernmaßen dafür mitbezahlen. Ist das richtig?
"2-Klassen-Internet" - ich weiß nicht so richtig, wer diese 2 Klassen sein sollen? 2 Klassen von Anbietern? 2 Klassen von Nutzern? Es gibt doch jetzt auch schon ganz viele "Klassen" - wo ist das Problem?
Wie der Staat in Zukunft eingreift, ist nochmal ein anderes Thema. Da würde ich Deinen Pessimismus schon eher teilen.
Wie gesagt - ich will das Problem verstehen und momentan sind mir die Argumente von beiden Seiten noch zu undurchsichtig.
Gruß, mawe2
PS: Hatten wir wirklich bis 2005 ein "freies Internet"? Oder war das nicht schon vorbei, als der Boom so richtig losging? (Also ca. 1995, vielleicht 96 / 97?)
So wie Du das schreibst klingt das ja fair und logisch... glaubst Du selber dran, dass das dann so kommt?
Ich befürchte eher, dass dann Medienkonzerne für den "bevorzugten" Transport zahlen, und die anderen Anbieter dann mit Schneckengeschwindigkeit abgespeist werden. Oder: Wer nicht zahlt wird nicht "gesendet". Das wäre dann die Vorstufe für ein "nationales" Internet, denn warum soll ein deutscher ISP z.B. amerikanische Video-Seiten weiterleiten, wenn er nix dafür bekommt? "Zensur" auf ökonomisch...
Hi Mawe, deswegen schrieb ich in der Mitte meines Beitrags, dass Bandbreite viel Geld kostet - irgendwie muss das finanziert werden:
Aber was wäre so schlimm, wenn Anbieter von datenintensiveren Diensten für die Netznutzung mehr zahlen müssten als Anbieter von anderen Diensten? Was würde sich für die Endverbraucher ändern?
Es würden doch wieder die üblichen marktregulierenden Mechanismen greifen.
...und genau das finde ich zum Fürchten. Der Markt reguliert bei Lichte besehen nämlich gar nicht - er pendelt nur Angebot und Nachfrage so gegeneinander aus, dass der Markt "geräumt" wird. Das war's aber auch schon.
Etwas polemisch zugespitzt: Wer stinkreich ist, der kann es sich leisten, die Welt mit seinem wirtschaftslieberalen Propaganda-Müll vollzupumpen. Wer es nicht ist, kann sich eine Darstellung seiner politischen, wirtschaftlichen etc. Positionen oder sonstigen Inhalte nicht leisten.
Bislang war das Internet eine sehr kostengünstige Möglichkeit für jedermann, Inhalte jeglicher Art weltweit zu verbreiten. Ob das so bleiben kann, steht IMHO gerade ziemlich auf dem Spiel.
CU
Olaf
So wie Du es schreibst, könnte man denken, dass alles nur auf der einen Seite entscheiden wird, auf der irgendjemand "was ins Internet reinsteckt".
Auf der anderen Seite muss das aber auch wieder jemand "rausholen". Und wenn das nicht geschieht (also wenn kein Markt da ist), dann kann die andere Seite da soviel reinstecken wie sie will (Geld, Informationen, Manpower) - es wird keinen Abnehmer finden.
Und: Vielleicht führt der Druck, für größere Bandbreiten viel bezahlen zu müssen, auch wieder zu einer Kultur der "Datensparsamkeit"? Die fetten Anwendungen werden durch kleine schlanke, intelligente Lösungen verdrängt. Soll doch der große, träge Medienkonzern seine Terabytes für teures Geld ins Netz blasen - gewinnen werden die kleinen, die clevere Lösungen für wenig Bandbreite anbieten.
Zu Analog-Modem-Zeiten mussten die Anbieter immer auf diese Frage achten, heute wird gern vergessen, dass es das 2-Klassen-Internet ja immer noch gibt; dass ein bestimmter Prozentsatz der Nutzer immer noch mit Schmalbandverbindungen rumgurken muss.
Die Sache bleibt spannend.
In diesem Punkt bin ich ganz bei dir:
Vielleicht führt der Druck, für größere Bandbreiten viel bezahlen zu müssen, auch wieder zu einer Kultur der "Datensparsamkeit"? Die fetten Anwendungen werden durch kleine schlanke, intelligente Lösungen verdrängt.
Dieses Herumgeaase mit der Bandbreite durch nervige multi-mediale "Zappeleien" geht mir auch zunehmend auf die Nerven. WWW - weltweites Warten. Das nervt auch den Anwender. Allerdings geht ein Großteil davon auf das Konto Werbung, und die wiederum soll ja Geld einspielen.
Soll doch der große, träge Medienkonzern seine Terabytes für teures Geld ins Netz blasen - gewinnen werden die kleinen, die clevere Lösungen für wenig Bandbreite anbieten.
Ich kann's nur hoffen - dann hätte die Sache sogar ein Gutes gehabt.
CU
Olaf
Nabend schön,
Der Markt reguliert bei Lichte besehen nämlich gar nicht - er pendelt nur Angebot und Nachfrage so gegeneinander aus, dass der Markt "geräumt" wird. , und er manipuliert bzw. fördert eine künstliche Nachfrage die seinem Produkt und Umsatz dienlich ist. Eine echte Regulierung des Marktes gibt es doch schon lange nicht mehr. Der Markt wird, so wie er jetzt ist, nur benutzt und ausgenutzt von den ganz Reichen, da hilft es auch nicht mit "drohen" oder "ansprechen" das Regulierungsbehörde prüfen wird usw.
Ist doch nun schon wieder bei Stromanbieter ersichtlich, der Profit steigt, die Preise an der Börse sind gesunken und Verbraucher bekommt trotzdem eine Erhöhung aufgedrückt. Die Politik läßt "Sie" einfach gewähren, der "Einzelne" ist gegenüber diesen Konzernen und deren Anwälten sowie der deckenden Lobby völlig machtlos.
Genauso sehe ich es mit dem Internet kommen, die Reichen werden letztendlich bestimmen und das "Sagen" haben. Die Politik(er) haben sie schon eingesackt :-(.
Gruß
Manfred
Ich frage mich wieso noch niemandem aufgefallen ist, dass der Initiator ein SPD-Mitglied ist. Schon diesen "Tatbestand" finde ich irgendwie absurd lustig.
Dazu gibt es natürlich Internet-Humor:
http://wahlkampf09.posterous.com/die-verkaufte-netzneutralitat-pronetz
Dazu hat auch fefe was geschrieben:
http://blog.fefe.de/?ts=b298da31
http://blog.fefe.de/?ts=b298405f
http://blog.fefe.de/?ts=b2984b2d
Ich zitiere mal, was wir alles der SPD zu verdanken haben:
Vorratsdatenspeicherung, SWIFT-Abkommen, Internetzensur, Cybercrime-Convention, Hackertoolverbot, BKA-Gesetz, E-Personalausweis, [...], Mautdebakel, die Gesundheitskarte, die Hartz-IV-Schnüffelsache und die Wahlcomputer
Gruß
Paul
Dem Björn Böhning nehme ich es durchaus ab, dass er pro Netz-Neutralität eingestellt ist. Der Partei als Ganzes allerdings nicht unbedingt.
CU
Olaf
Ich bin noch im Hadern, ob ich die Initiative unterschreibe. Die Idee selber unterstütze ich, jedoch teile ich auch fefes Meinung bezüglich der Glaubwürdigkeit. Die Grünen und die SPD haben bei mir einfach nur für Jahrzehnte verkackt ... Und mich beschleicht das Gefühl, dass die auch im nächst besten Moment von dem Zug abspringen werden.
Gruß
Paul
PS: Björn Böhning ist sicherlich pro Netz-Neutralität, er kommt auch aus der linken Ecke der SPD...
PSS: Internet-Humor: http://wahlkampf09.posterous.com/unsere-vorstellung-von-netzneutralitat-pronet
Moin Pashka, damit sprichst du sicherlich vielen Forenteilnehmern hier aus der Seele:
Die Grünen und die SPD haben bei mir einfach nur für Jahrzehnte verkackt...
Einerseits ja - andererseits: Man muss die Dinge auch pragmatisch sehen. Eine Bundesregierung ohne mindestens eine der beiden großen Volksparteien ist mittelfristig nicht vorstellbar; wenn wir Pech haben, kommen sogar beide zusammen, siehe 2005 - 2009. Die kleinen Parteien sind zwar über die Jahre immer stärker geworden, aber eine "dunkelrote" Ampel aus Grünen, FDP und Linken wäre politisch schlicht absurd, ähnlich wie die "Spanien-Koalition" aus SPD, FDP und Linken.
Ganz primitiv ausgedrückt: Wenn man eine CDU-geführte Regierung nicht will, kommt man an der SPD nicht vorbei.
Ich oute mich jetzt einmal... ich war jahrelang Stammwähler der Grünen. Es ist erstaunlich, was diese Partei für eine Wandlung hingelegt hat, von der quasi-fundamental-oppositionellen Protestpartei hin zur bürgerlich-liberalen Pseudo-Alternative. Noch 1987 wollte die Hamburger CDU die GAL vom Verfassungsschutz beobachten lassen - heute sitzen beide zusammen in der Regierung. Unglaublich! Inzwischen gibt es mehr Schwarz-Grün oder Jamaika-Koalitionen als rot-grüne, das sagt eigentlich alles über diesen Verein.
Kurzum: Zustimmen kann ich deiner Einschätzung in Bezug auf die Grünen uneingeschränkt; die SPD hingegen ist ein notwendiges Übel, wenn man keine konservativ-lastige Regierung will.
CU
Olaf