Vor ein paar Jahren war die Wahrscheinlichkeit, auf dem Rechner eines Nutzers Linux zu entdecken, ungefähr so hoch, wie die Chance, in einer Kneipe von einem Vorgesetzten eingeladen zu werden. Doch in diesen Tagen wechseln dank der missionarischen Tätigkeit eine Kauzes aus der Abteilung für Forschung und Entwicklung immer mehr Nutzer von der dunklen Windows-Seite herüber zu Linux.
Und das gefällt mir gar nicht.
Natürlich, ich sollte mich darüber freuen, daß die Leute auf der Evolutionsleiter der Betriebssysteme aufsteigen, doch das ist leider nicht der Fall. Denn erwartungsgemäß wissen die Leute von der Nutzerbetreuung über ein Unix-Betriebssystem ungefähr so viel, wie ein Chef der IT-Abteilung über geschmackvolle Bekleidung - nämlich nichts -, was sie aber nicht davon abhält Tips zu geben, wie: "Nein, nein, sie brauchen den Anti-Relay-Code nicht in ihrer Sendmail-Konfiguration ..."
Nach einem massiven Anstieg unseres Datentransfervolumens habe ich dieses Problem mit meinem bewährten schweren Reparierwerkzeug durch eine Router-Modifizierung gelöst, dann besuchte ich die betreffende Person unten in der Nutzerbetreuung, um mit ihr ein wenig zu plaudern. Nur ein freundliches Gespräch unter vier Augen, nichts besonders dramatisches.
Und nachdem ich das Kündigungsschreiben der Person in der Abteilung für Personalfragen abgegeben habe (zugegeben, der Mann dachte, er unterschreibe ein Protokoll über einen Arbeitsunfall, um eine fette Entschädigung zu kassieren), marschiere ich zurück ins Büro und löse das Problem der in der Warteschlange sich stauenden Beschwerden rabiat dadurch, daß ich den Datenträger mit einem Magneten behandle.
Und da nun auch der Kauz aus der Abteilung für Forschung und Entwicklung nicht mehr umherschleicht (Er fiel eine Treppe herunter und brach sich bedauerlicherweise beide Beine auf eine Weise, daß es aussieht, als hätte eine Eisenstange den Bruch ausgelöst - doch ganz offensichtlich war es sein Sturz.), müssen wir uns um die dummen Fragen der Leute kümmern, die dieser Kautz bisher konvertieren ließ.
"Hallo?" nehme ich einen Anruf entgegen und schaue mich nach möglichen Zeugen um. Mein Kollege macht eine Pause und lenkt die Aufmerksamkeit des IT-Chefs ab, indem er ihn in ein Gespräch über das Wochenende verwickelt.
Der arme, törichte Kerl.
"Ich habe ein Problem mit meinem Linux-SERVER." jammert der Nutzer in mein Ohr, während der IT-Chef meinen Kollgen über die Vorzüge herkömmlicher Transportmittel wie Eselskarren informiert.
"Ihre Linux-ARBEITSSTATION. Ich höre."
"Ich kann Word nicht finden."
"Ja - das liegt daran, daß Word Bestandteil ihrer Windows NT-Ausstattung war, aber nicht zur Linux-Installation gehört."
"Wie bitte?"
"Word ist nicht Bestandteil von Linux."
"Sie machen Scherze! Wie unmodern! Nun, wie kann ich es denn installieren?"
"Das geht nicht. Sie können ein anderes Produkt installieren, Star Office zum Beispiel, das Word ähnelt, mehr aber nicht."
"Werden meine Makros funktionieren?"
"Haben sie die denn auf einer Diskette gespeichert, bevor sie Linux installierten?"
"Nein."
"Ah, nun ..."
"Aber ich habe vielleicht noch eine Kopie auf meinem Privatrechner!"
"Ausgezeichnet. Aber sie werden trotzdem nicht funktionieren."
"Wieso haben sie mich dann gefragt, ob ich die Makros auf einer Diskette gespeichert habe?"
"Oh, ich wollte nur etwas nette Konversation betreiben."
"?!"
"Warten sie, sie könnten natürlich einen Windows-EMULATOR benutzen!! Etwas wie Wine."
"Wine? Was ist das?"
"Etwas das Nutzer trinken."
"Wie bitte?!"
"Wine? Nun, es sorgt dafür, daß ihr Linux vorgibt, es sei ein Windows. Wieviel Arbeitsspeicher hat ihr Rechner?"
"64 Megabyte steht auf dem Aufkleber an der Seite des Monitors."
"Und welchen Prozessor?"
"Uhm, Pentium 166."
"Aha, und dann haben sie, vermute ich, eine 2 Gigabyte-Festplatte?"
"Die habe ich auf 18 Gigabyte erweitert!" prahlt er stolz.
"Ausgezeichnet, dann müßte es laufen wie geschmiert!" rufe ich wie Pinocchio. "Sie können das Programm gleich vom FTP-Server ihres Kollegen aus der Abteilung für Forschung und Entwicklung installieren. Wissen sie, wie das geht?"
"Ja, ich habe eine Anleitung, und ich habe auch schon einige Programme installiert am Morgen."
"Einige Sachen?"
"Ah, dieses SETI-Ding, IRC-Server und noch ein paar andere Sachen, die ich zwar nicht kenne, die er aber im IRC empfohlen hat."
UND DER HÖHEPUNKT KOMMT ERST NOCH!
"Jemand hat es empfohlen, also haben sie es installiert?"
"Ja."
"Aha. Und was macht die Diode für die Festplattenaktivitäten?"
"Diode für Festplattenaktivitäten?"
"Es gibt zwei Dioden an der Vorderseite ihres Rechners - über einer der beiden ist vermutlich ein Symbol zu sehen, das wie ein Zylinder aussieht."
"Ja, da sind sie! Aber es ist alles in Ordnung. Beide leuchten hell."
"Aha, und sie leuchten ohne Unterbrechung?"
"Ja. Nein, warten sie, das Ding für die Festplatte hat gerade kurz aufgehört zu leuchten. Muß ich mir darüber Sorgen machen?"
"Nein, nicht wirklich ..."
...
Zwei Tage später.
"Sehr LANGSAM sagen sie?" frage ich, nachdem ich die Daten über das System geprüft habe. "Ich kann mir nicht vorstellen, woran das liegt. Oh, die Diode für die Festplattenzugriffe leuchtet ständig, sagten sie?! Und die Statistiken belegen, daß der Datentransfer auf ihrem Rechner enorm angestiegen ist. Kann es sein, daß sie - unbeabsichtigt - einen öffentlichen FTP-Server installiert haben?"
"Uh, könnte sein. Damit ich Betriebssystemaktualisierungen bekomme, sagte jemand im IRC."
"Jemand im IRC?" erwidere ich. "Wie vorsorglich. Haben sie eine dieser Aktualisierungen durchgeführt?"
"Ja, am gestrigen Morgen - es hat ewig gedauert."
"Etwa zu der Zeit, als all die Rechner in ihrer Abteilung zusammengebrochen waren?"
"Uhhhhhmmmm, keine Ahnung. Wann soll das gewesen sein?"
"Das spielt keine Rolle. Oooh, ich sehe da eine große Anzahl von Telnet-Clients laufen, die mit Nummern in den Niederlanden verbunden sind."
"Das sind die Leute aus dem Chat. Sie brauchen Telnet, um den Chat richtig zu benutzen."
"Natürlich brauchen sie dazu Telnet. Gut, ich glaube, ihr Problem ist etwas, das wir als Phasen/Neutralitäts-Hysteresis bezeichnen."
"Phasen-Neutralitäts-Hysterie? Was soll das denn sein?"
"Nun, manchmal passiert es, daß Transformatoren und andere Bauteile mit einem Magnetfeld in einen Hysterese-Modus schalten, der eine Leistungsverminderung bewirkt."
*** DUMMY MODUS EIN ***
"Duh huh."
"Sie müssen das Phasen-Neutralitäts-Problem lokalisieren und beseitigen, indem sie dessen Quelle für eine oder zwei Minuten abschalten."
"Äh ...?"
"Nun, dazu schneiden sie einfach das Netzkabel durch."
"Dann bekomme ich einen elektrischen Schlag!"
"Nicht, wenn sie eine nicht-isolierte Schere benutzen, um sich vor der statischen Aufladung zu schützen ..." rufe ich und greife nach meiner Jacke.
"Ähm ... in Ordn ..."
...
Eine Minute später.
"Das wird der Feueralarm sein." sagt mein Kollege.
"Wer zuletzt in der Kneipe ankommt, ist ein professioneller MCSE!!" antworte ich, der eine Chance erkennen und nutzen kann.
Und da behaupten manche noch, Open Source sei nicht gewinnbringend ...
mfg
Uwe