Am Rande der Veranstaltung Deutscher Computerspielpreis 2016 konnte Sonys Playstation VR ausprobiert werden und ich habe die Gelegenheit genutzt. Es handelte sich um die finale Version der Hardware, wie sie auch im Oktober in den Handel kommt.
Im Pressebereich waren mehrere Probierstände aufgestellt. Also: hinsetzen, Helm drauf, Kopfhörer drauf, ein leuchtendes Dingsbums in jede Hand ("Move-Controller") und ab die Post.
Zu meinem Erfahrungsbericht gilt zu wissen, dass dies das allererste Mal war, dass ich so ein VR-Headset ausprobiert habe, mir fehlt also jeglicher Vergleich zu anderen VR-Lösungen wie Oculus Rift und Co. Sonys Lösung hebt sich von allen anderen durch klare Alleinstellungsmerkmale hervor. Die Hardware-Voraussetzungen sind glasklar definiert, weil als Basis ganz einfach eine gewöhnliche Playstation 4 Spielkonsole dient.
Weiter punktet Sonys VR-Lösung durch einen attraktiven Preis von gerade mal 400 Euro. Dafür kriegt man das Headset, Stereo-Ohrhörer und den Kabelkram. Dazu braucht es noch "älteres" Playstation 4 Zubehör, das Gamer eventuell schon haben: die Playstation Camera (ca 45 Euro) und zwei "Move-Controller" (je ca 35 Euro).
Sonys Rezept gegen die wesentlich teureren Konkurrenzlösungen, die auch enorm leistungsstarke PC-Hardware brauchen lautet also: eine fast schon 2,5 Jahre "vergreiste" Spielkonsole die aktuell bereits um 250 Euro rausgehauen wird, "altes" Zubehör und dazu halt den neuen "VR-Helm" für 400 Euro. Kann aus diesem prinzipiell absurden Mix etwas Ernstzunehmendes rauskommen?
Definitiv ja.
Der VR-Helm von Sony trägt sich sehr angenehm, lässt sich leicht dem Kopf anpassen. Man muss ihn unbedingt präzise aufsetzen, damit das Bild perfekt scharf ist. In die Hände kriegte ich je einen "Move-Controller", so ein Ding, das oben leuchtet und das eine Taste zum Drücken hat. Der Gedanke, dass ich damit meine virtuellen Hände im Spiel steuern würde, war irgendwie lächerlich.
Ich hatte die Wahl zwischen verschiedenen Demos und entschied mich einfach für das nächstbeste. Die Dame von Sony empfahl mir so eine "Autofahrt" bei der auch Rumgeballert wird. Als mir dann noch der Kopfhörer übergestülpt hat, war ich praktisch weg, komplett im Dunklen und Stillen.
Als es "hell" wurde bemerkte ich sofort das "eingeschränkte" Sichtfeld. Irgendwie war die Bildfläche bei jedem Auge "rund", so als ob man durch ein "Fernglas" guckt. Das lässt sich schwer beschreiben. Das Nächste was mir auffiel war, dass die Grafik recht bescheiden ist. Als "Noch-Xbox-360"-Spieler bin ich grafisch nicht so arg verwöhnt, aber das was ich bei Playstation VR sah, erinnerte mich eher an die Qualität einer "uralten" Erst-Xbox-Konsole beziehungsweise Playstation 2.
30 Sekunden später waren das eingeschränkte Sichtfeld und die "magere" Grafik bedeutungslos geworden. Ich war restlos drin. Alles klappte herausragend intuitiv. Ich hockte auf dem Beifahrersitz eines Wagens, konnte mich im Wageninneren per Kopfbewegung umgucken und auch meine virtuellen Hände sehen. Das alles ging perfekt flüssig vonstatten und synchron vonstatten. Nach kurzer Eingewöhnungsfahrt ging die Action los. Aus anderen Fahrzeugen wurde geballert. Mein Beifahrer schmiss mir eine Knarre rüber und es ging ab.
Ich nahm die Knarre in die linke Hand, mit der rechten schnappte ich mir aus der Mittelkonsole des Wagens alle Weile ein neues Patronenmagazin zum Nachladen, das unten in die Pistole geschoben wurde. Wer von draußen zuguckt wie einer mit Helm auf dem Kopf und zwei Leuchtdingern in den Händen auf einem Stuhl rumfuchtelt, dem wird das gewiss irre komisch vorkommen. Wer aber in der virtuellen Welt drinnen ist, der ist drin, die Außenwelt ist einfach weg. Ich weiß nicht wie lange ich da rumgeballert und rumgewackelt hab, aber viel zu früh war das Demo zu Ende. Ich hätte noch Stunden mit der Playstation VR rumexperimentieren können.
Das Demo das ich gespielt habe ist übrigens schon gut ein Jahr alt und heißt "London Heist". Hier ein Video davon, das den Ablauf verdeutlicht:
https://www.youtube.com/watch?v=zHxeEYZY_0g&nohtml5=False
Was Sony da zusammengebastelt hat ist Preis-/Leistungstechnisch schlichtweg ein Kracher. Mehr VR für weit unter 1.000 Euro geht bestimmt nicht. Also im Oktober in den Laden rennen oder dieses Ding gleich jetzt vorbestellen? Oder erstmal so eine Oculus Rift ausprobieren? Dieses Ding kostet in den USA zwar "nur" 600 Dollar, auf Ebay in Deutschland wird es aktuell aber noch für irre 1.300 Euro angeboten. Dazu braucht es dann noch aktuelle Gamer-PC-Hardware für mindestens rund 1.000 Euro.
Trotz meiner Begeisterung für die Playstation VR und meinen geweckten Appetit auf so ein VR-Headset bin ich sehr skeptisch. Wer hier zu früh einsteigt, wird viel Geld verbrennen. Fraglich ist auch ein wenig, ob die Begeisterung dauerhaft ist. Nach ein paar Stunden "Ballern aus dem Auto" wäre der Spielreiz vermutlich vorbei. Auch habe ich wohlgemerkt ein "ideales Demo" ausprobiert. Ideal, weil man halt in einem virtuellen Auto sitzt und nicht rumläuft. Bei VR-Spielen die Rumlaufen erfordern macht es bestimmt keinen Spaß dazu ein herkömmliches Gamepad zu verwenden - zumindest kann ich mir das nicht vorstellen. Da braucht es dann schon eher so einen "Laufkäfig" wie hier zu sehen.
Wenn ich jetzt, ein paar Stunden nach dem "Wow"-Effekt so nachdenke wird mir klar, dass dieses VR-Zeugs noch eine gewaltige Baustelle ist. Klar, das Abtauchen aus der realen Welt in die virtuelle klappt schon sehr gut, aber für den totalen Kick fehlt noch viel. Reden wir mal über die "Hände". Ich war echt erstaunt, wie toll meine virtuellen Hände bei Playstation VR funktioniert haben. Nach kurzer Zeit war mir gar nicht mehr klar, dass das nicht meine echten Hände sind und ich in denen nur zwei "Leuchtdinger mit Taste" halte.
Durch die Action war ich einfach zu abgelenkt. Tatsächlich hat der Hinterkopf aber schon permanent gemeldet, dass da was fehlt: Feedback. Man spürt halt nichts, wenn man etwas anfasst. Dass das Nachladen der Pistole geklappt hat, das Magazin eingerastet ist, habe ich eigentlich nur optisch wahrnehmen, aber eben nicht spüren können. Auch ansonsten ist man in der virtuellen Welt eigentlich "körperlos". Die Vibrationseffekte eines "Gamepad" werden da nicht viel realistischer machen können.
Interessante Ansätze zeigt dieses Video:
https://www.youtube.com/watch?v=9yplHQhaVXU&nohtml5=False
Zur Optik: bei rasanten Actionspielen mit viel Bewegung ist die Grafik zweitrangig. Bei Spielen in denen man eher gemütlich rumläuft und sich Sachen genauer in Ruhe anguckt ist das anders. Ich befürchte, dass bei fehlender Ablenkung durch Action das eingeschränkte Sichtfeld störender wird und auch "minderwertige" Grafik nicht mehr akzeptabel ist. Alle aktuellen VR-Headsets haben recht niedrig auflösende Displays in der "Full HD"-Klasse drinnen. Bei der Playstation VR sind es 1.920 x 1.080 Bildpunkte für beide Augen, also 960 x 1.080 pro Auge. Realistisches VR schreit allerdings nach der zigfachen Auflösung.
Den aktuellen VR-Lösungen werden sehr wahrscheinlich bald diesbezüglich verbesserte folgen. Höhere Auflösung braucht aber entsprechend mehr Rechenleistung. Wer sich eine "Oculus Rift" kauft und einen ausreichend starken PC dazu, der wird diesen PC bei Auftritt der "Oculus Rift 2" vermutlich schon enorm aufrüsten oder durch einen neuen ersetzen müssen, weil die Mindestanforderungen steigen. Im Fall der Playstation VR Lösung ist auch zu bezweifeln, dass die Rechenleistung der aktuellen Playstation 4 auf Dauer noch ausreichen wird. Nicht umsonst brodelt die Gerüchteküche, dass Sony eine aufgemotzte Playstation 4 mit doppelter Rechenleistung bringen wird.
Also erstmal abwarten? Im Fall von VR gilt wohl leider die alte Weisheit, dass man dann ewig abwarten kann: diese Technik wird nonstop besser. Ich habe jetzt auf jeden Fall VR-Luft geschnuppert und bin hungrig nach mehr davon. Viel mehr!
Auf Sonys Webpräsenz gibt es übrigens inzwischen eine sehr informative deutschsprachige Seite mit zig Bildern und Details zu Playstation VR.