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Jetzt Schnell Scheibenwischer...

Soulmann63 / 18 Antworten / Flachansicht Nickles

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dreamreaper Soulmann63 „Jetzt Schnell Scheibenwischer...“
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Der Einfachkeit halber kopier ich etwas, das ich vorhin in einem anderen Forum schrieb (Überschrift: Ende einer Aera!) nach hier:

Ich habe mir gerade die letzte Folge des "Scheibenwischer" im TV angesehen. Angenehm aufgefallen ist mir, mit wie wenig Rührseligkeit und mit wieviel Anstand dieser Abschied begangen wurde.
Es beeindruckt mich immer wieder, wie wach, kritisch und intelligent ein 76 Jahre alter Mann wie Dieter Hildebrandt am Tagesgeschehen teilnimmt, dieses kommentiert und reflektiert. Sein Wortwitz und seine Freude am gewandten Spiel mit der Sprache haben mich schon früh begeistern können.
In diesem Alter noch so "fit" zu sein, im Bewußtsein nichts wirklich zu bewegen es doch immer und immer wieder zu versuchen, das ringt mir Achtung ab. Und die Hoffnung meine alten Tage vielleicht auch nicht in Passivität zu vegetieren.

Als sehr junger Jugendlicher waren Übertragungen der "Lach- und Schiessgesellschaft", der "Stachelschweine", des "Kommoedchens", die "Notizen aus der Provinz" für mich echte Highlights. Sie haben zu meinem politischen Verständnis beigetragen, mein Interesse an Politik verstärkt.

Ich war Klassensprecher, stellvertretender Schulsprecher, Mitglied im Stadtschülerrat, Jugendvertreter, Mitglied des Personalrats, Vertrauensmann, Vertrauensleutesprecher, Mitgründer der Juso-AG in unserem Ortsteil, habe gewerkschaftliche Jugendbildungsarbeit gemacht, diverse Kollumnen für Gewerkschaftszeitungen geschrieben.
Über Jahre habe ich mich engagiert, teils aus wirklichem Interesse und dem Wunsch Lebensbedingungen aktiv zu verändern, teils um meine persönlichen Probleme zu verdecken.

Ich bin nach wie vor dankbar für diese Möglichkeiten. Sie haben mich rhetorisch geschult, haben mich Auseinandersetzung und Nachdenken gelehrt, haben mir Instrumente zur Kommunikation und Analyse an die Hand gegeben.
Sie haben mir aber auch gezeigt, dass die wirklich bewegten nur selten etwas im Grossen bewegen. Dass Organisationen den Mut zu Veränderung lähmen. So abgedroschen es klingt, dass Macht korrumpiert und das System seine Kinder frisst.
Meine Erfahrungen mit Politik und Politikern, mit Funktionen und Funktionären haben gezeigt wie wenig diejenigen die wir hören können noch zu sagen haben.
Integrität, Ehrlichkeit, Interesse für andere sind hinderlich wenn es um Posten geht. Persönlichkeit bleibt besser an der Garderobe, bevor es aufs Parkett geht.

In den letzten Jahren habe ich begriffen, dass die Revolution ein Traum ist. Dass Veränderung im kleinen passiert. Dass ich nur auf mein nächstes Umfeld einwirken kann und muß. Was ich privat weitergebe (auch durch Zuhören und Lernen von anderen) hat vielleicht Bestand und verleiht mir Unsterblichkeit. (Kleine Erläuterung: Das umschreibt meine Auffassung vom ewigen Leben. Was wir anderen Gutes tun, was wir positives in ihrem Leben bewirken, wirkt über unsere rein körperliche Existenz hinweg, lässt uns in anderen weiterleben. Das Böse natürlich auch. Aber das tun wir ja alle nicht mehr!? )

Meinen Frieden mit der Welt habe ich gemacht. Aber noch nicht ganz. Das in den Gruppen nicht politisch diskutiert wird war für mich immer okay. Das wäre nicht der richtige Ort.
Aber die Auseinandersetzung mit dem Tagesgeschehen, die Analyse dessen was uns vollmundig als Wahrheit verkauft wird, das Hinterfragen von Personen und Institutionen gehört für mich zu meinem geistigen Überleben.

Mit dem Ende einer Sendung wie "Scheibenwischer" habe ich das Gefühl, ein weiteres Stück Kultur die ich brauche und achte stirbt.
Aus Dieter Hildebrand und Werner Schneider werden Erkan und Stefan (Gott, sind die grauslich), aus Connie Wecker oder Hannes Wader werden Daniel Küblböck und Stefan Raab, aus der Mai-Kundgebung wurde die Love-Parade und so weiter.

Die Menschen verlieren das Interesse an dem System das sie beherrscht und die Macdonaldisierung unserer Gesellschaft schreitet fort.
Das alles macht mir Angst.
Macht ohne Kontrolle, Bevölkerung ohne Bildung, ichbezogene Menschen führen geradwegs nach Amerika. Und so sehr ich einzelne Amerikaner mag, deren Sozialgefüge und Territorialverhalten erschrecken mich zutiefst.
Was wird man noch mit uns machen, wenn niemand mehr fragt "Hey, was macht Ihr da?"?

Entschuldigt den langen Text und die unsortierten Gedankenstränge. Auch das ist Teil von mir und auch das prägt mein Leben.

Den Geduldigen danke fürs Zulesen.
Den weniger Geduldigen, sehts mir nach.

Gruß

d.r.

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