Mein Freund M. legte seinen Zeigefinger auf den Mund.
„Pst!" Am Nachbartisch des Restaurants saßen zwei
Herren im besten Mannesalter und polterten
in lautem rheinischen Dialekt. „Klar hat der
Kanzler recht", sagte der eine. „Es gibt eine
neue Spaltung zwischen Ost und West. Die
Gräben waren nie tiefer. Ich kenne eine
Menge Leute, die einen Bausparvertrag ab-
schließen würden, wenn davon eine neue
Mauer gebaut würde."
Der andere lachte. „Eine Mauer ist noch
zu wenig. Man sollte die Ossis nach Si-
birien schicken - dort können sie sich dann
weiter über den bösen Kapitalismus aus-
lassen! Wenn man denen so zuhört: Die
wollen doch am liebsten eine DDR light mit
der Kohle vom Klassenfeind. Von uns. Da
fühle ich mich als Zahlmeister ziemlich
verarscht!"
Genau!", nickte dereine. „Das mit den
PDS-Wahlergebnissen ist in der Tat be-
lustigend. Man kann fast 20 Millionen
Deutsche 40 Jahre lang einsperren und
kriegt dann immer noch ein gerüttelt Maß
an Stimmen. Vielleicht sollten sie ja ver-
suchsweise die NSDAP wiedereinführen."
Er schnappte nach Luft. „Eigentlich ist Si-
birien viel zu milde. Zu human. Apartheid
ist der einzige Weg: Die Ossis sollen so lan-
ge nur Stehplätze in Bussen und eigene
Trockenklos - getrennt von allen anderen -
bekommen, bis sie sich endlich einheitlich
über die Regierungspolitikfreuen."
Darauf trinke ich!", rief der andere. —
„Außerdem sollte man ihnen das aktive
Wahlrecht, die Versammlungsfreiheit und
das Recht zu demonstrieren aberkennen,
bis sie allesamt einheitlich versprechen,
diese Rechte nicht mehr zu missbrauchen."
Weil sie nicht demonstrieren, sondern
jammern", kam die Antwort. „Wir
wollen endlich den zufriedenen und - vor
allem - dankbaren Einheitsossi: Es lebe die
Bundesregierung mit Gerhard Schröder
und Josef Fischer an der Spitze. Hurra. Es
lebe die rot-grüne Koalition, der Vortrupp
der internationalen Reformbewegung und
Retter der Menschheit. Das sind die Lo-
sungen, die man den Ossis einhämmern
muss, bevor man ihnen irgendetwas erklärt,
was sie sowieso nicht begreifen kön-
nen oder wollen!"
In dem Moment ging mein Freund M. an
ihren Tisch und drückte den beiden die
Hand. Dann stellte er sich vor. Verdattert
sagten sie ihre Namen. Lächelnd sagte
mein Freund: „Es ist immer gut, wenn man
seine Feinde kennt"
Chemnitzer Morgenpost vom 5.9.04 - Tom Reichel
Aus vollem, schwarzen Herzen: JA!
Jürgen
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Jüki, du darfst bei all dem eins nicht vergessen: Auch in den alten Bundesländern wird man spätestens(!) mit 50 zum alten Eisen geworfen. Normalerweise gilt die Regel: Ab 40 findest du nichts mehr, es sei denn als Führungskraft, solche Leute dürfen schon mal ein bisschen älter sein. Auch von Branche zu Branche mag es Unterschiede geben, im kaufmännischen Bereich z.B. ist man etwas toleranter als - sagen wir mal - im Journalismus.
Es ist heutzutage so: Leute in den besten Jahren gelten als "zu alt" - nicht, weil sie es tatsächlich sind, sondern weil es der Arbeitsmarkt so hergibt. Die Firmen ersaufen in Bewerbungen, es gibt Arbeitskräfte für fast alle Branchen und fast alle Jobs in Hülle und Fülle. Und wenn eine Firma angesichts des Riesenangebots an Personal die Qual der Wahl hat, nimmt sie eben lieber junge Leute, die ja ach so "dynamisch" und "flexibel" sind, die sich widerstandslos herumschubsen lassen, die man noch "nach seinem Geschmack zurechtformen kann". Meinen die Firmen...
Ich halte das alles für einen ausgekochten Blödsinn. Die langjährige Berufs- und auch Lebenserfahrung eines 50-jährigen soll also nichts mehr wert sein, weil er angeblich nicht mehr so "dynamisch" ist. Da kann ich nur lachen. Mir sind schon jede Menge frische und aufgeweckte >50-Jährige und ebenso trantütige langweilige Jugendliche begegnet. Alles Blödsinn. Und der Krankenstand ist bei den Jungen mindestens so hoch, wenn ich mich bei mir in der Firma umschaue.
Deine Initiative, deine Unnachgiebigkeit, dein Einsatz verdienen Respekt und Bewunderung. Dafür ist es völlig unerheblich, dass es am Ende nicht zum Erfolg geführt hat. Nur: Artikel wie in der Chemnitzer Morgenpost und der Widerpart dazu im Spiegel sind alles andere als hilfreich. Hier wird genüsslich Öl ins Feuer gegossen, wird mehr oder weniger gekonnt auf der Klaviatur der Ost-West-Ressentiments geklimpert, werden Pauschalurteile über große Gruppen von Menschen gefällt und - wie in deinem Fall - einzelne dadurch verunglimpft.
Letztlich sind Zeitungsverlage Wirtschaftsunternehmen, die ebenso von der Auflage leben, wie die unseligen Privatsender. Da gerät das Niveau schon mal unter die Räder. Lass dich davon nicht vereinnahmen, auch wenn es zu deinem Schicksal gut zu passen scheint, lass dich aber auch nicht verletzen, wenn der Wind aus der anderen Richtung weht. Und vor allem eins: Lass dich nicht unterkriegen!
CU
Olaf
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