Off Topic 20.355 Themen, 225.958 Beiträge

Die Türkei in die EU?

luttyy / 59 Antworten / Flachansicht Nickles

Hat jemand eine Meinung dazu? Würde mich interessieren!


luttyy

Kein Backup? Kein Mitleid!
bei Antwort benachrichtigen
luttyy ist ein Held Bean
luttyy ist ein Held luttyy
luttyy ist ein Held T E S T E R
luttyy ist ein Held luttyy
was ist los mit dir? IDE-ATAPI
was ist los mit dir? luttyy
was ist los mit dir? IDE-ATAPI
Nein... DerProvokant
Nein... luttyy
Nein... DerProvokant
Eindeutig, JA Gurus
Eindeutig, JA DerProvokant
Gurus DerProvokant „Eindeutig, JA“
Optionen

1. "Die Emotionen hinter den Argumenten":
WAZ Ruhrgebiet. Azime Zeycan, Hüseyin Silir und Sinan Kumru sind drei von 355 000 türkischstämmigen Mitbürgern im Revier. In Deutschland sind sie schon lange angekommen, nun wollen sie nach Europa.

Nehmen wir die gängigen Vorurteile, addieren sie mit etwas Gewohnheit und übertragen sie auf das "Tablo" in Essen: So gesehen, sieht dieses Restaurant überhaupt nicht türkisch aus. Keine Teppiche, keine Wasserpfeifen, auch nicht die gewisse gemütliche Dunkelheit, sondern hell, offen, modern. Eine Kulisse, die passt zu den drei jungen Türken, die sich hier trafen zum Plaudern über Europa - und die auch so gar nicht den Vorurteilen entsprechen. Diesen Vorurteilen, die manchen Menschen soviel Angst machen, dass sie die Grenzen der EU am liebsten verbarrikadieren würden: Die Türkei muss draußen bleiben.

Bloß: wieso? Azime Zeycan schüttelt den Kopf, sie fände Beitrittsverhandlungen "sehr positiv". Das Wirtschaftswachstum betrage über sieben Prozent, die Türkei sei als Standort interessant. Und politisch, sagt Azime, "entspricht die Türkei den Anforderungen der EU sogar noch eher als wirtschaftlich" - das denen, die behaupten, das Land sei nur an finanziellen Vorteilen interessiert. "Wenn Europa wirklich ein ,Global Player´ werden will, dann gibt es keinen anderen Weg", glaubt Sinan Kumru.

Aber sie wissen wohl, dass viele vor allem vor einem Angst haben: vor dem Islam. "Warum kann keiner akzeptieren, dass es nicht nur christliche Demokraten, sondern auch muslimische gibt?" Vielmehr wäre doch ein Beitritt "eine Antwort auf die Fundamentalisten". Und die Türkei als Brücke zu Asien "eine kulturelle Bereicherung und ein Stabilitätsfaktor". Nun sind sie Akademiker, diese drei, und wissen sich auszudrücken. Und doch ist die Emotion zu spüren hinter den gefeilten Argumenten, das Gefühl: He, hier geschieht Unrecht, wenn ihr auch nur überlegt, ob diese Türkei in eure Gemeinschaft darf.

Es gibt doch Gesetze, es gibt eine Verfassung, es gibt schon Pakte, vor Jahrzehnten geschlossen: "Es ist doch längst alles geregelt", weiß Azime Zeycan, die Juristin. "Die Voraussetzungen sind erfüllt, niemand darf mehr darüber reden, ob die Türkei Mitglied wird, man kann eigentlich nur noch über das wann diskutieren." Und da hofft das Trio auf 2010.

Zumal: "Wir sind schon in Europa", sagt Kumru, der sich auskennt in der Migrationsforschung, "die Türken bilden die größte Minderheit in Deutschland; das Ruhrgebiet ist die Hauptstadt der in Europa lebenden Türken." Wer also behaupte, die Türkei gehöre nicht dazu, schade der Integration: "Das beleidigt die Türken in der Region, die ja auch zum Vorankommen der Industrie beigetragen haben." Der andere, bessere Weg sei der zu einer "kompletten Akzeptanz".

Wichtig also sei ein Beitritt für die Türken im Revier: "Viele fühlen sich sowohl deutsch als auch türkisch", sagt Anwältin Zeycan. Was Sinan Kumru gut versteht, der sich überall fühlt wie ein Fremder: "Ich bin in keinem der Länder richtig zu Hause." Und das gehe vielen so: "Ich sehe im türkischen Vereinsleben, dass die meisten wohl die Absicht haben, ihren Lebensabend hier zu verbringen, aber mit der Türkei bleiben sie emotional verbunden." Ein Beitritt, hofft Hüseyin Silir, werde das Reisen vereinfachen, mehr Rechte bringen - und im übrigen keinesfalls (noch) mehr Türken nach Deutschland: "Viele Migranten gehen zurück", schätzt Azime Zeycan, vielleicht auch Silir: "Man könnte ja dort eine Klinik eröffnen."

Vorurteile und Ängste übrigens gegenüber ihrem Herkunftsland halten sie für "gefährliche Unkenntnis" - und auf der politischen Ebene für "Ignoranz". Stimmen, die sich gegen Beitrittsverhandlungen wandten, müssten "überlegen, was sie damit in der ohnehin verunsicherten Bevölkerung anrichten". Und hatte da jemand Ängste angemeldet vor Hinterwäldlertum und mittelalterlichen Sitten? "Die Türken in der Türkei", sagt Kumru ehrlich, "sind fortschrittlicher als viele, die hier leben." Und schließlich: Sie seien ja dabei, immer noch besser zu werden.

Nicht auszudenken für die Drei, wenn die EU nun nicht einmal verhandeln würde mit ihrer Heimat: "Ohne die Türkei wäre die politische Union unvollendet", sagt Zeycan, "und in welche Richtung ginge dann die Türkei?" Eine Antwort gibt sie selbst: "Reformen können sich nur bewähren, wenn sie auch gebraucht werden." Bliebe aber die Türkei bei der EU außen vor, dann würden andere Kräfte wieder erstarken: "Das wäre gefährlich - für beide Verhandlungspartner. Denn dann würden die Reformen gestoppt. Und alles war umsonst."

04.10.2004 Von Annika

-[ Azime Zeycan, 36, Rechtsanwältin, kam mit zwei Jahren als Kind eines Arbeiters nach Deutschland. Sie lebt in Hattingen und war 1997 die erste türkisch-sprachige Anwältin, die sich in Bochum niederließ. Dafür brauchte sie die deutsche Staatsangehörigkeit, fühlt sich aber als Europäerin. ]-


2. "Es kann nur noch an den Türken selbst scheitern":
WAZ: Herr Sen, Europa blickt gespannt auf den Mittwoch. Dann will die EU-Kommission ihre Empfehlung zu möglichen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abgeben. Wie reagieren die Türken selbst?

Sen: Der 6. Oktober spielt in der Türkei eine überragende Rolle. Die Menschen warten seit dem Assoziierungsabkommen von 1963 auf diesen Tag. Nach über 40 Jahren ist es endlich Zeit für eine Entscheidung. Nach jüngsten Umfragen sagen 74 Prozent der Türken Ja zum EU-Beitritt.

WAZ: Ist denn die Zustimmung der Türken in Deutschland ähnlich hoch?

Sen: Die ist noch viel höher, sie liegt bei 91 Prozent. Darin liegt eine ungeheure Chance . . .

WAZ: . . . und zwar?

Sen: Die 2,7 Millionen Türken und Türkisch-Stämmigen in Deutschland müssen jetzt beweisen, dass sie sich voll integrieren wollen. 750 000 von ihnen haben schon einen deutschen Pass. Sie sollten sich mit ihrer neuen Heimat identifizieren. So sollten sie fordern, dass Deutschland ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat wird und Deutsch die dritte Amtssprache im Europarat. Das würde das Image der Türken hierzulande verbessern.

WAZ: Muss man denn auf türkischer Seite noch mit Heckenschützen gegen den EU-Beitritt rechnen?

Sen: Widerstand gibt es nur wenig. Da sind die alten Kemalisten, die alles, was von der Europäischen Union kommt, als Einmischung ansehen. Da sind einige Sozialisten, die sich immer stärker als Nationalisten darstellen. Und schließlich natürlich die islamistischen Fundamentalisten. Alle haben aber relativ geringen Einfluss. Die Hauptsache ist: Das Militär verhält sich in dieser Frage völlig ruhig.

WAZ: Das klingt optimistisch. Ist der Prozess der EU-Integration wirklich unumkehrbar?

Sen: Das alles kann nur noch an den Türken selbst scheitern. Wenn es in den nächsten Jahren zu inneren Unruhen kommt und das Militär eingreift, ist das mit der Europa-Perspektive natürlich vorbei. Ich halte das aber für sehr unwahrscheinlich. Ausschließen kann ich allerdings nichts. Manchmal glaubt man ja, dass in der Türkei jede Spinnerei möglich ist . . .

WAZ: . . . wie zum Beispiel der jüngste Versuch des islamischen Ministerpräsidenten Erdogan, das Fremdgehen unter Strafe zu stellen.

Sen: Erdogans Regierungspartei AKP hat 370 Abgeordnete, ein Drittel von ihnen kann man als Fundamentalisten bezeichnen. Die haben islamische Symbole im neuen Strafrecht verlangt. Erdogan wollte ihnen wohl Zugeständnisse machen.

WAZ: Alles also ganz harmlos? Sen: Ganz und gar nicht. Ein Staat, der das Fremdgehen kriminalisiert, hat in Europa nichts zu suchen. Das musste man Erdogan ganz klar sagen.

WAZ: Sie selbst haben Erdogan bei seinem Amtsantritt als ,Wolf im Schafspelz´ bezeichnet. Wie sehen Sie ihn heute?

Sen: Trotz der jüngsten Eska-paden muss ich das Urteil revidieren. Erdogan hat die Türkei reformiert, er hat sich bewährt. Er hat Vertrauen verdient.

Das Interview führte Lutz Heuken

04.10.2004 WAZ-Interview mit Faruk Sen Zentrum für Türkeistudien

-[ Faruk Sen wurde 1948 in Ankara geboren und kam 1971 nach Deutschland. Er studierte Betriebswirtschaft und promovierte an der Universität Münster. Sein Haupt-Forschungsfeld: Fragen der Migration, der Zuwanderung. 1985 gründete Faruk Sen das Zentrum für Türkeistudien, dessen Direktor er seitdem ist. Das Institut ist der Uni Duisburg-Essen angegliedert. ]-


3. "Haus Europa":
Er gilt als die literarische Stimme der deutschen Türken: Feridun Zaimoglu. In der "Zeit" sagte er neulich diesen bemerkenswerten Satz: "Erst waren wir Gastarbeiter, dann Ausländer, dann ausländische Mitbürger, dann Deutsche türkischer Herkunft. Und seit dem 11. 9. werden wir als Moslems wahrgenommen." Womit er sagen will: Die Mehrheit der deutschen Türken ist hier ebensowenig angekommen wie die Türkei in der Europäischen Union.


Ankara den Zutritt ins große europäische Haus zu gewähren, ist angesichts des dornenreichen Integrationsprozesses hierzulande ein richtiges und wichtiges Signal: Unter dem gemeinsam Dach Europa ist noch Platz. ni

04.10.2004


-------------------------
so, ich denke in den Beiträgen steckt viel Wahrheit

MfG
Gurus

bei Antwort benachrichtigen
Eindeutig, JA vanGoehs
Gratulation! Olaf19
Gratulation! vanGoehs
Häh??? Sesselpuppser
Danke! luttyy luttyy