Seit Jahren reden die Grafikkarten-Hersteller davon, dass sich die enorme Rechenleistung von Grafikkarten auch für andere Dinge als Grafikberechnung nutzen lässt. Inzwischen ist aus der Theorie schon ein recht ordentlicher Praxis-Brocken geworden. Vor allem Nvidia hat seit einiger Zeit eine "Programmierschnittstelle" namens CUDA veröffentlicht, mit der die Rechenleistung von Grafikarten für andere Zwecke abgezapft werden kann.
Im Oktober sorgte ein CUDA-basiertes Tool für Schlagzeilen, mit dem sich Passwörter per "Grafikkarten-Prozessor" rund 100-mal schneller knacken lassen (siehe Grafikkarten als Highspeed-Hacker). Aufgrund von Nvidias zunehmend beliebtem CUDA steht natürlich auch AMD/ATI unter Druck, die Rechenpower seiner Grafikarten universeller greifbar zu machen.
Seit heute sorgt das neue Catalyst-Treiber-Paket 8.2 für Schlagzeilen, in dem "ATI Stream Computing" eingebaut ist. Damit können Programmierer die Rechenleistung der Grafikkarte für "beliebige" Zwecke nutzen. Als Beispiel hat AMD/ATI dem Treiber-Paket ein Tool namens "Avivo Video Converter" beigepackt. Damit sollen sich Videos dank Grafik-Prozessor-Hilfe deutlich schneller konvertieren lassen. "Klappen" tut das allerdings nur mit einer Radeon-Grafikkarte der Modellreihen HD4600 und HD4800.
Die PC-Welt bezeichnet den "Avivo Video Converter" als "Turbo-Video-Konverter" und hat ihn auch schon ausprobiert. Ergebnis: das Ding konvertiert "deutlich schneller" als ein "reiner Software-Konverter" (siehe Videos blitzschnell umwandeln - Catalyst 8.12 mit Turbo-Video-Konverter erschienen).
Michael Nickles meint: Machen wir es kurz: BULLSHIT! Die erste Version dieses "Avivo-Converters" tauchte im März 2006 auf. Auch damals war die Fachpresse begeistert und berichtete, dass dieser Converter die Rechenleistung der Grafikkarte für Videokonvertierung nutzt.
Die Chip probierte das Ding damals aus und berichtete von "drastischen Geschwindigkeitsvorteilen bei der Videobearbeitung". Der Chip-Beitrag kann hier abgerufen werden: ATI Avivo: Gratis-Tool wandelt Videos blitzschnell.
Tatsache war: die Beschleunigung existierte nicht, die Grafikkarte machte gar nichts. Generell sollte der Avivio-Converter sich nur auf "neueren" ATI-Grafikkarten nutzen lassen, weil die älteren hardwaremäßig nicht dafür taugten. Innerhalb kurzer Zeit tauchte im Internet ein Hack auf, der zeigte, was der Converter eigentlich machte.
Er fragte lediglich ab, ob eine neue ATI-Karte vorhanden ist und verweigerte seinen Dienst wenn nicht. Diese Abfrage konnte sich deaktivieren lassen und dann funktionierte der "Turbo-Konverter" mit jeder beliebigen Grafikarte (auch Nvidia-Karten).
Tatsächlich kam die sensationelle Konvertierungsqualität nur durch einen Trick zustande: er war schlichtweg "gut" programmiert. Und: man kann eine Videokonvertierung sehr leicht "schneller machen", wenn man an der Qualität - also dem was dabei rauskommt - geizt. Die Fachpresse fiel reihenweise auf diesen Trick rein und lobte eine "Hardwarebeschleunigung", die gar nicht existiert.
Die komplette Story ist in der aktuellen Nickles PC-Report Buchausgabe 2007/2008 auf den Seiten 985 bis 989 dokumentiert.
Wer das Buch nicht hat, hier noch eine Hintergrundinfo zum Trick. Generell funzte der Avivo-Converter nur mit bestimmten neueren Grafikkarten-Modellreihen und man konnte ihn gar nicht "im Software-Modus" ausprobieren. Auch verwendete ATI ausnahmslos eigene Videocodecs - man konnte also nicht direkt mit einem Codec wie DivX oder Xvid vergleichen.
Der aktuelle "Testbericht" der PC-Welt ist so ziemlich das "Schwammigste" was ich seit langem gelesen habe. Als Testsystem wurde ein Rechner mit "Intel Quadcore Prozessor" und eine "Radeon HD 4870" verwendet. Dabei stellten die Kollegen eine "deutlich schnellere Konvertierung" als bei einem "reinen Software Converter" fest, teilen aber nicht mit WELCHEN "Software Converter" sie zum Vergleich verwendet haben.
Die Konvertierung eines 45-Minuten Videos ins MP4-Format, soll bei "hoher Qualität" nur 2 Minuten gedauert haben. So eine Aussage ist witzlos, wenn man nicht weiß, in welcher Auflösung das Quellvideo vorlag und in welche Zielauflösung es konvertiert wurde.
Kurzum: Aufgrund meiner Erfahrungen rate ich dringend zu Misstrauen bei "Sensationsmeldungen" bezüglich der "Videokonvertierungs"-Beschleunigung des neuen Catalyst-Treiberpakets beziehungsweise dessen "Avivo-Converters".