Hi!
Im Golem-Artikel wird auf die Quelle verlinkt: es handelt sich um ein Interview mit dem Gründer von Kaspersky:
http://www.zdnetasia.com/insight/security/0,39044829,62058697,00.htm
Ich bin mir mir nach dem Lesen des englischen Interviews nicht sicher, ob Golem hier die Tendenz des Interviews korrekt wiedergegeben hat. Betrachtet man die Überschrift von ZDNetAsia zu dem Interview, dann zielt diese in eine ganz andere Richtung: "Microsoft OneCare was 'good enough'"
Die Einstiegsfrage lässt schon durchblicken, was den Mann in seinem beruflichen Denken bewegt:
"Q: You've been a security analyst for 20 years. What frustrates you most in the work to keep cybercriminals at bay?"
Was frustriert ihn am meisten?
Seine Antwort beginnt mit "Understanding what we do is very important. We're not just doing business or just developing some software. We're fighting with the bad guys."
Ich lese seine Antwort auf die Frage als "Seufzer". Die Leute verstehen nicht, dass Kasperski (als Firma) nicht einfach nur Geschäfte machen und Software schreiben. Sie stehen aktiv im Kampf mit den Bösen Jungs.
Die nächste Frage vertieft das dann:
Q: "Are you saying that people often don't understand the complexities of the work security researchers are involved in? Consumers, businesses and even governments?"
Seiner Meinung nach wissen die meisten Privat-User nicht, was ein Internetsicherheitsunternehmen leisten muss, sie müssen es aber auch nicht wissen bzw. verstehen.
A: "Governments do understand because they are more and more in touch with these problems. Enterprises, big enterprises, some of them have dedicated teams of security experts and they really understand what's going on. Consumers generally have no clue, but they don't need to understand."
Die nächste Frage bringt es dann auf den Punkt: Was würde er ändern, wenn er die macht hätte drei Dinge zu ändern?
Q: "If you had the power to change up to three things in the world today that are related to IT security, what would they be?"
A: "Internet design--that's enough."
Die Änderung des Internetdesigns würde genügen.
Warum? Aus meiner Sicht kann ich das verstehen bzw. nachvollziehen, wenn ich die Sache aus seiner Perspektive betrachte. Das Problem ist, dass man der Bösen Jungs nicht handhabbar werden kann.
Das liegt natürlich primär daran, dass sie anonym agieren können. Die Nutzung eines WLAN-Hotspots in einem Internetkaffee wird als Beispiel aufgeführt, die genügt, um sich hinter einer IP "zu verstecken".
Die Lösung ist dann natürlich zwangsweise eine klare Identifizierung der Internetteilnehmer. (Wenn die Anonymität die Ursache der Probleme ist, kann die Lösung nur die Aufhebung der Anonymität sein. Technisch betrachtet, halte ich diese Schlussfolgerung für absolut zutreffend.)
Das ganze wird im Interview als Vision. Darauf zielt schon die Frage nach dem Motto "Wenn du drei Wünsche frei hättest, was würdest du ändern?"
IMHO sieht man das auch an dieser Frage: "What would keep the vision of an Internet passport, Internet government and an Internet police from becoming reality?"
Was würde diese Vision verhindern? Klar, es wird an den Kosten und der zu grossen Bürokratie scheitern.
"It's expensive, and it's very bureaucratic to have all these agreements."
Das Abschliessende Statement zu diesem Thema befasst sich damit, dass man auf Regierungsebene noch zu lokal denkt: "Governments understand that the problem is a very important one to tackle but they behave in a national way. The minds of law enforcement are still focused on national borders, but the Internet does not have borders. It's a new world in which we have to think differently. That's why I always talk about the need for not just cyberpolice, but Internet police--Internet Interpol."
Im Rest des Interviews geht es dann um Microsoft und sein neues Security Produkt, dem Nachfolger von Oncare. Kaspersky ist hier der Meinung, dass MS ein Image-Problem hat: niemand nimmt MS Anstrengungen zur Sicherheit ab. Er würde an MS-Stelle eine neue Firma Gründen und das Sicherheitsprodukt unter diesem Namen vertreiben.
Wie gesagt: ich weiss nicht, ob sich Golem hier nicht einfach einen einzelnen Punkt herausgegriffen hat und den überhöht.
Ich lese das Interview in eine etwas andere Richtung: die heutigen Probleme bestehen darin, dass sich Kriminelle im Internet hinter der Anonymität verstecken können. Dies ist eine Folge, weil bei der Öffnung des Internets niemand daran gedacht hat, dass eine eindeutige Identifizierung der Teilnehmer nötig werden konnte. Im Prinzip sind diese Wünsche nicht neu und man kann das heute schon freiwillig über die üblichen zweigeteilten Schlüssel-Keys erreichen (Signieren von Mails und Beiträgen um sich eindeutig auszuweisen).
Eine solche Signierung von Anfang an, würde heute viele Probleme und Sicherheitsbedenken bei Online-Geschäften ausschalten. Das sehe ich ebenfalls so: zur Durchführung von ernsthaften Geschäften gehört, dass ich weiss mit wem ich Geschäfte mache und der Gegenüber ebenfalls weiss, dass ich wirklich derjenige bin, den ich angebe.
Technisch gesehen dürfte die Identifizierung im Arp-Net vor der Öffnung zum Internet bestanden haben, da der IP-Adressenraum damals ausreichend gross war und vermutlich die Teilnehmer untereinander persönlich bekannt waren.
Die heutige "Anonymität" ergibt sich u.a. als Folge, weil der Adressraum (IPv4) heute schon lange nicht mehr ausreicht. Die "Übersichtlichkeit" bei der Useranzahl ist natürlich heute nur noch ein Thema für nette Stories über die Anfangszeit des Internets...
Dieses Thema wird aktuell auch mit der Einführung von IPv6 zur Erweiterung des IP-Adressraumes diskutiert! IPv6 besitzt einen Adressraum der ausreicht um jeden Gerät eine eigene eindeutige unveränderliche IP-Adresse zuzuordnen!
Dieses Thema wurde in einem Artikel der c't erst in der letzten Ausgabe ausführlich diskutiert. Das war für mich auch neu. (http://www.heise.de/kiosk/archiv/ct/2009/21/80_kiosk)
Am Rande wird hier ebenfalls das Thema angesprochen:
http://www.heise.de/ct/meldung/Experte-Vorrat-der-letzten-IPv4-Adressen-koennte-schon-2010-erschoepft-sein-818544.html
Das Thema digitale Signatur für User (=eindeutige Identifizierbarkeit) wird meiner Meinung nach kommen, genau wie der Einsatz von IPv6 mit einer eindeutigen IP-Adresse pro User kommen muss, um das Internet in seiner existierenden Form (das am Rande seiner Leistungsfähigkeit arbeitet) in ein für die Zukunft taugliches globales Netzwerk zu überführen.
Gleichzeitig wird sich die Netzgemeinde aber stärker als bisher gegen Überwachungs- und Protokolierungswut der Staaten und Unternehmen wehren müssen. Das ist ebenfalls sicher!
Ich bin aber auch der Meinung, dass man Diskussionen zu diesen Thema nicht auf politikerverträgliche Punkte wie "Weg mit der Anonymisierung", "Her mit der Anonymisierung" und "Hilfe ich soll beobachtet werden" reduzieren kann.
Das Thema ist zu ernst und komplex für solche Vereinfachungen. Gleichzeitig muss man diese Themen ansprechen und diskutieren dürfen, sonst hat hinterher wieder niemand davon gewusst. ;-)
Bis dann
Andreas