Die "Abmahnindustrie" darf sich über ein Urteil des Hamburger Landgerichts freuen. Das hat jetzt entschieden, dass auch Email als Zustellungsform bei Abmahnungen zulässig ist. Christian Solmecke, von der auf Medienrecht spezialisierten Kanzlei Wilde Beuger & Solmecke in Köln:
"Eine Abmahnung erreicht den Empfänger normalerweise per Fax und zur Sicherheit noch einmal mit der normalen Briefpost. So wird sichergestellt, dass der Adressat der Abmahnung das anwaltliche Schreiben auch wirklich erhält. Inzwischen versenden einzelne Kanzleien Abmahnungen auch per Mail. Das LG Hamburg hat dieses Verfahren in einem jetzt veröffentlichten Urteil als rechtsmäßig bezeichnet. Das bedeutet: Abmahnungen sind ab sofort auch per E-Mail möglich."
Es gibt also bereits erste Vorfälle, bei denen von der neu zulässigen Methode Gebrauch gemacht wird. Bereits im Juli 2009 hab es einen Fall, der vor dem Landgericht Hamburg verhandelt wurde (Urteil vom 07.07.2009, Az.: 312 O 142/09).
Der Sachverhalt des Rechtsstreits war so: Der Kläger mahnte ein Internet-Branchenportal wegen der rechtsmissbräuchlichen Verwendung der Bezeichnung "Fachanwalt für Markenrecht" ab. Die Besonderheit dabei: die Abmahnung wurde einzig und allein per E-Mail an das Branchenportal verschickt wurde. Eine Kopie des Schreibens schickte der Anwalt per Blindkopie an einen Sozietätskollegen. Dort kam die E-Mail auch an. Der Beklagte behauptete allerdings, die E-Mail nicht erhalten zu haben. Er erklärte, sie sei von der "hausinternen Firewall" abgefangen worden.
Die Kläger erwirkten eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte. Anschließend stritten die Parteien aber über die Kosten des Verfahrens. Das Landgericht Hamburg entschied, dass die von einer Firewall abgefangene E-Mail als "zugegangen" zu beurteilen sei und dass das Risiko, dass eine solche E-Mail verloren gegangen sei, ganz bei dem Abgemahnten läge.
Christian Solmecke: "Dem Gerichtsurteil nach sah das Gericht keine Probleme darin, dass die Abmahnung lediglich per E-Mail versandt worden war. Problematisch in unseren Augen ist, dass das Gericht eine solche Abmahnung auch als zugegangen ansieht, wenn der Empfänger sie aufgrund widriger Umstände gar nicht bewusst wahrgenommen hat. Eine Firewall, ein überaktiver Spamfilter oder ein nicht abgerufener E-Mail-Account reichen da bereits aus, um zu verhindern, dass der Abgemahnte Kenntnis nimmt und Fristen einhalten kann."
Die Kanzlei Wilde Beuger und Solmecke warnt aus diesem Grund vor Abmahnungen, die nur per E-Mail verschickt werden, und rät zumindest allen Geschäftsleuten, ihre E-Mail-Post täglich zu sichten. Das gilt sicherheitshalber auch für den Inhalt des Spamfilters.
Michael Nickles meint: Wenn ich "Hamburger Landgericht" höre, dann wird es mir immer mulmig im Bauch. Der Laden ist ja schon öfters mit seinen "Abzocker-freundlichen" Urteilen aufgefallen.
Gerade die "Massen-Abmahner" werden sich über das Urteil logischerweise freuen - damit fallen die Portokosten flach. Erschreckend ist die Sache allerdings auch im Fall "normaler" Abmahnungen. Konkret kann es sich zeitlich also kaum noch jemand leisten, mehrere "Email-Konten" zu haben, die täglich gecheckt werden müssen.
Und auch die Spammer haben gewonnen. Was nützt mir ein Spam-Filter, wenn ich den rausgefilterten Mist dennoch täglich lesen muss, weil ja eine Abmahnung dabei sein könnte?
Ein gewichtiges zweites Urteil fehlt noch. Und zwar, dass es auch okay ist, wenn aus der Betreffzeile einer Email nicht erkennbar hervorgeht, dass es sich um eine Abmahnung handelt.
Dann müssen wir auch jeden Email-Inhalt mit Titel wie "Günter fickt Dich aus München" gründlich durchlesen.