Harte Zeiten
Es ist eine dieser Geschichten, die das Leben schreibt. Junge liebt Mädchen. Mädchen liebt allerdings nur sich. So eine einseitige Liebe kann schmerzhaft sein, aber hat im ersten Augenblick wenig mit Linux zu tun. Allerdings erging es mir so mit Fedora. Irgendwie war mir diese Distribution schon immer sympathisch und so habe ich mit jeder neuen Version einen Anlauf gemacht und die Installation gestartet. Wenn das überhaupt ging. Meist versagte schon die Live-CD ihren Dienst. Oder es gab gröbere Probleme nach der Installation. Man fühlte sich verschmäht und zurückgewiesen. Lag es an mir? An meiner Hardware? Aber die wurde doch sogar zwischenzeitlich gewechselt. Und andere Distributionen laufen doch auch. Sogar mit derselben Kernelversion. Ich verzweifelte. Warum tut sie mir das an?
Nun war es wieder einmal so weit. Fedora 15 ist erschienen und wartete auf einen Versuch. Als erste Annäherung gilt wie immer der Download. Langsam und behutsam ging ich an die Sache ran, klickte auf die entsprechende Torrent-Datei, um kurz darauf wieder verschämt auf den Boden zu blicken. Aber der Annäherungsversuch gelang, der Download lief. Ein USB-Stick lag schon bereit. Jungfräulich, aber auf den Empfang der Daten vorbereitet. Mit dd wurde das Image überspielt, aber so weit bin ich bisher immer gekommen. Die Aufregung stieg, der Reboot mit Fedora stand an.
Der BIOS-Beep ertönte, ich erschrak. Sollte es diesmal klappen? Mit zittrigen Fingern wählte ich den USB-Stick als Boot-Device. Ein blauer Bildschirm erscheint. Nicht wie der BSOD, sondern wunderschön. In wenigen Sekunden wird Fedora automatisch gestartet. Ich warte gespannt. Das System legt los, es erscheint das Fedora-Logo, welches sich langsam aber stetig füllt. Mein Herz schlägt schnell. Der Startvorgang über USB dauert eine gefühlte Ewigkeit, aber man kennt das. Vorfreude ist die schönste Freude. Und es erscheint keine Fehlermeldung, das System bleibt nicht hängen. Nein, es startet ohne Probleme! Mich begrüßt der Desktop. Wiederum im schicken blau, aber ungewohnt. Ist das schon Gnome 3? Ohne proprietäre Treiber? Diese Distribution hat wirklich Nouveau! Und das ohne dabei auf Funktionalität zu verzichten.
Ohne große Umschweife starte ich die Installation. Mit ein paar Klicks ist alles erledigt. Sie lächelt mich mit ihrer Fortschrittsanzeige an. Ein tolles Gefühl. So ging die Installation auch sehr schnell. Wir verabredeten uns auf ein neues Date, nach dem Reboot. Ich freute mich, warf ihr noch einen Blick zu. Sie ging elegant von dannen.
Also wartete ich auf sie. Direkt hinter dem BIOS wollten wir uns treffen. Aber sie kam nicht. Sie hatte wohl Panik. Kernel Panic. Was war los? Wir haben uns doch gut verstanden. Ich ging zurück zum BIOS, aber es half nichts. Sie tauchte nicht auf. Aber so einfach wollte ich nicht aufgeben. Nicht heute. Ich schrieb ihr eine Nachricht, startete einen neuen Installationsversuch. Ich ließ meinen Charme spielen, klickte sanfter denn je zuvor. Ich konnte sie überzeugen: Ein erneutes Treffen hinter dem BIOS.
Ich war schon dort. Sekunden wurden zu Stunden. Würde sie wieder Panik bekommen? Es wurde dunkel. Doch dann erschien sie. Wie ein blauer Engel, nur dass sie nicht trinkt. Der Startbildschirm brachte mich zur Verzückung. Wunderschön animiert zeigt sie ihr Logo, welches sich in einer schönen, aber unaufdringlichen Animation füllt. Und das sogar ziemlich schnell. Der Anmeldebildschirm erscheint. Ich flüstere ihr unser abgesprochenes Passwort zu. Der Desktop startet.
Ein etwas anderer Erfahrungsbericht. Falls das in diesem Stil weitergehen soll, bitte melden. Ansonsten folgt ein neutraler Bericht über Fedora 15. Es liegt an euch. ;-)
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As time goes by
Wir treffen uns mal wieder. Routine ist eingekehrt. Das große Herzklopfen ist verschwunden, aber die Zuneigung ist stärker denn je. Ja, es kann auf Dauer funktionieren. Sie hat leichte Macken, aber wer hat die nicht? Solange sie nicht zu sehr stören, machen sie eigentlich eher sympathisch. Im Grunde zählt bei ihr ohnehin nur die Software. Und die spielt sie problemlos ab. Ich muss ihr nur kurz sagen, sie solle die Updates holen und sie tut es. Ohne sich zu beschweren. Auch neue Software lässt sie sich aufdrängen und macht gute Miene zum bösen Spiel. Ihr Herz ist groß. So voller Pakete.
Ich wusste von Anfang an, dass sie RPM-basiert ist. Für mich war das kein Problem und das sollte auch so bleiben. Keine Wehmut nach DEB.
Wir führen eine offene Beziehung. Allerdings weiß sie nichts davon. Ich traf mich noch mit anderen Distributionen und mache dies auch nach wie vor. Weniger aus Notwendigkeit, sondern mehr aus Gewohnheit. Eigentlich bietet sie mir alles, was ich brauche. Trotzdem zieht es mich immer wieder zurück. Warum bleibe ich nicht bei ihr? Ich fühle mich schlecht. Ich bin schlecht.
Liegt es daran, dass sie mich nichts minimieren lässt? Auf keinen Fall. Ihr Bedienkonzept sieht das so vor und es macht nach kurzer Zeit auch Sinn, dass das so ist. Liegt es am Fehlen eines Programm-Menüs? Auch nein. Ihre Gnome Shell funktioniert. Sie macht Dinge einfach etwas anders, aber nicht schlechter. Ich glaube sie macht sie sogar besser. Man ist es nur anders gewöhnt. Wäre sie meine erste Bekanntschaft, würden mir alle anderen zunächst merkwürdig vorkommen. Der Mensch frisst was er isst. Neue Geschmacksrichtungen sind zuerst schwierig.
Sie setzt auf viele Desktops. Ich habe bisher immer nur mit einem gearbeitet. Die anderen Distributionen hätten mir zwar auch Mehrere erlaubt, aber ich wollte das nie. Fedora zwingt mich nun dazu. Und ich habe mich nie beschwert. Ich habe sie machen lassen. Es hat sich gelohnt. Nicht mehr minimieren, sondern verschieben. Ganze Fenstergrößen für ganze Männer.
Gröbere Probleme hat sie nie gemacht. Genau genommen gar keine. Nach den Startschwierigkeiten war ich auf einiges vorbereitet, aber nicht darauf. Ihr Nouveau war mir allerdings etwas zu hoch. Ich installierte den proprietären Treiber. Sie lief einfach weiter. Traurigerweise zeigte sie den schönen Bootscreen nicht mehr. Das kennt man auch von anderen Distributionen. Aber sie bietet eine Alternative. Nicht mehr ganz so schön, aber funktional. Man sieht zumindest, dass sie was macht. Und sie startet schnell wie eh und je.
Ja, das kann funktionieren. Sie und ich. Ich nehme mir leider momentan etwas wenig Zeit für sie. Es geht nicht anders. Ich kann nur hoffen, dass sie auf mich warten wird. Und dann könnte es was werden. Vielleicht nicht die Verbindung auf Lebenszeit. Da wird noch zu viel passieren. Aber für einen Abschnitt des Lebens sollte diese Verbindung halten. Dazu muss ich mich erst von den anderen trennen. Oder sie zumindest seltener treffen. Der Mensch kann nicht in jedem Bereich zur Monogamie gezwungen werden. Das Meer ist voller Fische. Das Internet ist voller Distributionen.