Die Aufforderung in der Werbe-Email war klar und deutlich: „Schnallen Sie sich an: Mit dem brandneuen MAGIX Video deluxe 2015 Premium zünden Sie jetzt den 64-Bit-Turbo! Erleben Sie Ihre Videobearbeitung in einer völlig neuen Geschwindigkeitsdimension dank erstmaliger 64-Bit-Programmierung."
Nach etlichen vollmundigen Ankündigungen, was alles geboten werde und wie toll das doch sogar für die ganze Familie sein werde, hieß es dann am Schluss: „Sichern Sie sich jetzt MAGIX Video 360 Premium mit dem brandneuen MAGIX Video deluxe 2015 Premium zum exklusiven Einführungspreis von € 99,99/Jahr¹ (statt € 129,99/Jahr)."
Die Anmerkung für die hochgestellte "1" war allerdings nur schwer zu finden.
In winziger Schrift (und hellgrau auf weiß) wurde sie dann weit unten doch noch ausfindig gemacht:
„Einführungspreis: € 99,99/Jahr, automatische Verlängerung um 1 Jahr zum erneuten Vorteilspreis von € 99,99/Jahr.
Die Vorteilspreisgarantie gilt für einen Gesamtzeitraum von 3 Jahren nach Vertragsabschluss. Kündigungsfrist: 1 Monat zum jeweiligen Laufzeitende."
"Vorteilspreisgarantie ... für 3 Jahre"
Danach dann wohl eine Preiserhöhung um rund 30 (dreißig) Prozent.
Dauerhaft aber: Ständiger Daten-Pendelverkehr zwischen Rechner und MAGIX. Bei jedem Programmstart erkundigt sich die Applikation, ob irgendwas an ihr eine Änderung erfahren mag. Dabei meldet sie jedoch auch gleichzeitig, auf welchem Rechner sie zu welchem Zeitpunkt (wieder) in Betrieb genommen wurde.
Sie hängt am Tropf von MAGIX und liefert Daten.
Rückblick
Bislang war es so, dass Magix erst alle 6 Monate, später dann Jährlich eine neue Programm-Version z.B. für Video deluxe lieferte. Manche Versionen waren mit sehr heißer Nadel gestrickt und wurden sogar trotz „show stopper" an den Kunden gebracht. Als die eigentlichen Beta-Tester fühlten sich zu einem erheblichen Teil manche Erwerber. Bei den Fehlerbehandlungen erwies sich MAGIX nicht selten als sehr originell: In Vorversionen beseitigte Bugs tauchten auch schon mal in neuen Versionen wieder auf. Manche Fehler wurden ignoriert und erst in späteren Versionen behoben.
Die Strategie war stets:
Hoffnung machen und zum Kauf der jeweils neuen Version ermuntern.
Dieses Konzept ging für eine lange Zeit auf. Wer das Glück hatte, eine in sich "runde" Version zu erwischen (z.B. Video deluxe 17 Plus oder Premium mit nachfolgenden Bug-Fixes), erhielt eine wirklich sehr leistungsfähige Videoschnitt-Software. In Teilbereichen tat sich MAGIX aber sehr schwer. Trotz der auffällig weiten Verbreitung von NVIDIA-Grafikkarten war MAGIX gegenüber den Rufen nach der Möglichkeit taub, beim zeitraubenden Rendern der Videos auch CUDA zur Beschleunigung nutzen zu können. Es gab auch noch etliche andere Ungereimtheiten, gegen die sich im Anwender-Forum allmählich Widerstand aufstaute. Der Unmut ging sogar so weit, dass MAGIX gegen das Ende eines Jahres das Forum einfach abschaltete.
Keine besonders gute Hand hatte MAGIX auch bei der Lancierung von MAGIX-Programmen für OEM-Systeme, wie sie etwas MEDION über ALDI ausliefert. Dort wurde MAGIX von Cyberlink ausgestochen, deren „Suiten“ mit neuen Rechnern bereits vorinstalliert sind. Ganz allgemein legte Cyberlink im Laufe der Jahre enorm zu. So wurden immer mehr Video- und Tonspuren bis zu heute 99 Spuren nutzbar. Vor allem aber bot Cyberlink viel früher als MAGIX das Rendern über die GPU der Grafikkarten an. In den Cyberlink-Suiten waren auch Programme zum Abspielen von Videos und Video-DVD’s und etwa auch ein Programm zum reinen Wandeln („Konvertieren“) von Videos in andere Formate wie etwa WMV oder MP4 bei verschiedenen Bitraten enthalten.
Das alles darf nicht übersehen lassen, dass das MAGIX-Video deluxe-Schnittprogramm in vielerlei Hinsicht an die Leistung von Profi-Programmen heran reichte. Ihm wurde recht gemächlich, doch immerhin auch beigebracht, mit möglichst vielen Formaten umgehen zu können. Unstimmigkeiten bei dessen recht komplexen Handhabungen wurden etwas gemildert, doch blieb bis heute die notwendige Lernkurve bis hin zu einer vollen Ausschöpfung der meisten Möglichkeiten recht hoch. Die Erwartung vieler Interessenten, mit einem solchen Programm „mal eben“ loslegen und zu ansehnlichen Ergebnisse gelangen zu können, wird prompt enttäuscht, wie es mittlerweile auch beim „Power Director“-Schnittprogramm von Cyberlink der Fall ist.
Veränderte Marktverhältnisse
MAGIX veröffentlichte von Jahr zu Jahr Bilanzen, in denen zum Teil kritisch gewordene Marktverhältnisse beklagt wurden. Weil MAGIX sehr stark direkt über eigene Portale im WEB seine Produkte anbietet und absetzt, blieben die Zahlen erträglich und auch ertragreich, obwohl sie nicht mehr so rosig waren wie in früheren Zeiten, als generell in der PC-Branche Goldgräberstimmung herrschte. Dafür kann MAGIX nichts. Eine herausragende Stellung im Bereich der Soundbearbeitung und -steuerung konnte MAGIX leicht verteidigen. Nicht aber spurlos ging an MAGIX der allgemeine Wandel im Markt vorüber.
Im Bereich Video machte sich bemerkbar, dass immer weniger Desktop-PC’s und dafür mehr Notebooks verkauft wurden, deren Absatz dann unter dem Boom von Tablet-PC’s litt. Diese Veränderungen im Markt mussten sich auf den Absatz von Software auswirken, die gewöhnlich die Verfügbarkeit eines „großen“ oder zumindest sehr leistungsfähigen Systems voraussetzt. In den Bilanzzahlen von MAGIX spiegeln sich etliche Marktverschiebungen wieder (OEM-, B2B, B2C-Indirekt- und B2C-Direktabsatz; letzterer bei fast 60 Prozent). Kaum etwas geändert hat das an der Bruttomarge, die sich immer noch im Bereich von über 80 Prozent bewegt. Das bedeutet: Von dem Preis, den MAGIX insgesamt erlöst, bleiben abzüglich der reinen Herstellungskosten rund 80 Prozent übrig, von denen alles andere (und das ist viel!) bestritten werden muss, ehe ein Gewinn von unter 10 Prozent übrig bleibt.
Bei den Anwendern hat sich vor allem geändert, dass viele vormalige Desktop-PC-Nutzer zu Notebook-Benutzern wurden. Insbesondere Notebooks mit i3- oder i5-Prozessoren, vorinstallierten 64-bit-Windows, 8 GB RAM und recht fetter Festplatte wurden immer preiswerter und dadurch attraktiver. Wer nur im WEB stöbern, bei Twitter herumgeistern, im Facebook blättern oder sich mit Emails beschäftigen möchte, braucht nicht einmal mehr einen PC; da genügt sogar ein Tablet oder in vielen Fällen ein Smartphone.
Dass MAGIX für Windows 8 sogar eine APP herausgebracht hat, mit der sich ein etwas mageres Videoschnittprogramm als „Fingerfood“ im Metro-Modus nutzen lässt, gleicht eher einem Witz. Es sollen aber auch „nur“ frisch geschossene Videos auf den Rechner (etwa auf ein Convertible, das sich mit oder ohne Tastatur nutzen lässt) übertragen und „vor“geschnitten werden, um erst später nach der Übertragung von allem auf einen „richtigen“ PC weiter bearbeitet zu werden. Eigentlich dient die APP vornehmlich der Betrachung der Video-Ernte, wozu man wiederum eine solche APP nicht braucht.
Fesseln in neue „Kundenbindung“
In Zeiten, da Vieles nur noch zugänglich ist und funktioniert, wenn man permanent online ist, tendieren immer mehr Anbieter dazu, bestimmte Leistungen nicht mehr als „Programm“ zu verkaufen, das lokal installiert ist und auch „offline“ (also ohne Internet-Verbindung) benutzt werden kann. Der Sinn dabei: Den Anwender möglichst – sich selbst auch bindend – an die Nutzung zu gewöhnen sowie ihn periodisch möglichst per Bankeinzug die Nutzungsgebühr zahlen zu lassen und sich selbst dadurch eine „Rente“ zu sichern.
MAGIX schlägt in diese Richtung nun einen Brücke. Neben den üblichen Programmen, deren Preise von EUR 49,99 bis 399,99 reichen, bietet MAGIX jetzt „360“-Grad-„Rundum“-Pakete für Video an. Während bei den Programmen für die Festinstallation nur Video deluxe 2014 angeboten wird, soll in dem neuen „Premium“-Paket für EUR 99,99 bereits Video deluxe 2015 Premium enthalten sein. Gelockt wird mit den Worten: „Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar der brandneuen Version mit über 50 Neuerungen – exklusiv bereits vor der offiziellen Produkteinführung und mit einem Zusatzpaket der Extraklasse!“ – Versprochen wird dabei als „Vorteile der Jahreslizenz“: „Exklusives Rundum-Paket aus Software und Service / Direkt starten – Software als Download sofort verfügbar / Immer die neuesten Programmversionen als Erster nutzen / Video 360 Online-Seminare zur kostenlosen Teilnahme / Video 360 Magazin mit Tutorials und Tipps & Tricks per Mail / Kostenlose telefonische Unterstützung für schnelle Hilfe / Family Pack – Programme auf bis zu 3 PCs installieren / Kein Risiko – 30-Tage-Geld-Zurück-Garantie / Jährliche Zahlung – keine versteckten Kosten / Bis 1 Monat vor Ende kündbar – 1 Jahr Mindestlaufzeit“. In der Angebots-Email war – eingangs bereits erwähnt – auch das Versprechen enthalten: „Mit dem brandneuen MAGIX Video deluxe 2015 Premium zünden Sie jetzt den 64-Bit-Turbo!“
Es ist hier nicht der Ort, zur Qualität der angebotenen Leistungen jetzt schon etwas auszusagen. Im Moment und hier geht es um den Hinweis auf den Strategiewechsel. MAGIX stellt lt. veröffentlichtem Konzernabschluss fest: „Ein wesentlicher Faktor ist etwa die Entwicklung des PC-Markts für Konsumenten. Hier ist davon auszugehen, dass sich der Trend rückläufiger Umsätze mit Desktop-PC's und Notebooks zu Gunsten steigender Verkaufszahlen bei Tablet-PC's fortsetzt. So erwartet der BITKOM für 2013 einen Rückgang der Umsätze in Deutschland mit PCs und Notebooks von EUR 6,1 Mrd. auf EUR 5,1 Mrd., während der Umsatz mit Tablets von EUR 1,9 Mrd. auf 2,8 Mrd. ansteigt.“ Das sind dramatische Zahlen. Darauf will sich MAGIX als „Strategie des MAGIX-Konzerns“ entsprechend einstellen: „MAGIX wird von der Vision „360° Multimedia“ weiter auf klarem Kurs gehalten. Ziel von MAGIX ist es, sowohl Privat- als auch Geschäftskunden eine Rundumlösung für digitale Inhalte aus einer Hand zur Verfügung zu stellen. Um die Bedürfnisse der Kunden antizipieren, wecken, ansprechen und letztlich befriedigen zu können, ist Innovation ein fest verankerter Bestandteil der Unternehmenskultur von MAGIX. Individuelle Neugierde, gemeinsamer Forscherdrang und eine für Neues offene Umgebung lassen MAGIX mit innovativen Produkten, Diensten und Prozessen immer wieder Maßstäbe setzen.“
Das Unternehmen gibt zu erkennen: Um dem „Konsumentenbereich gerecht zu werden“, würden sich verändernde Kundenwünsche durch konsequente Verbesserung bestehender und Entwicklung neuer Produkte und Dienste berücksichtigt. Neuentwicklungen würden bei MAGIX nicht um ihrer selbst willen erfolgen, sondern „marktgetrieben“. Hierfür würden das Kundenforum www.magix.info und das „Customer-Relation-Management-System“ ständig wichtige neue Informationen für neue Entwicklungsansätze liefern. Das MAGIX-Internet-Forum horcht also die Benutzer ab, um Wünsche für vielleicht begehrte neue Features zu erfahren und etwaige Unzufriedenheiten zu erkennen. Bis dort hin hat MAGIX allerdings eine lange Zeit benötigt; Jahre zuvor waren Kunden eher abgebügelt worden, wie Erfahrungen mit dem stillgelegten Forum belegen. Doch soll man nicht nachtreten, sondern anerkennen, dass MAGIX intern wohl eine notwendige Kurve mit Bravour genommen hat.
Das Portal "nachbelichtet.com" beleuchtet die neue Strategie von MAGIX so: Das Vermieten von Software werde wohl nicht nur von Adobe und Microsoft für interessant gehalten. Nun würde auch MAGIX dem Abo-Modell frönen und die Videoschnittsoftware Video Deluxe optional auch als Abo anbieten. Denn Adobe Creative Cloud habe es vorgemacht: „Für einen monatlichen Betrag kann man sich einzelne Anwendungen oder gleich Komplettpakete mieten.“ An diesem Modell sei interessant, dass innerhalb der Mietzeit auch sämtliche Updates enthalten sind. Magix Video 360 biete mit dem Modell für Video Deluxe an, die Software auf bis zu 3 Rechnern gleichzeitig zu installieren (“Family Pack”) und alle Updates sowie exklusive Schulungen und Inhalte während der Laufzeit erhalten zu können.
Der Videotreffpunkt hat sich taufrisch nur auf eine Nachricht eingelassen, die mit den dürren Worten beginnt: „Das sagt Magix: ...“ Danach wird nur heruntergeleiert, was MAGIX herauszuposauen beginnt. Das Ganze schließt mit einem Videotreffpunkt-Smily:
Quelle: http://www.videotreffpunkt.com/wcf/images/smilies/54.gif
Statt nun das neue Modell weiteren Betrachtungen auszusetzen, dürfte es vielleicht angebrachter sein, erst einmal von den NICKLES.DE-Usern zu erfahren, was sie selbst vor dem Hintergrund dieses Berichtes von einem solchen Modell halten. Dabei mag auch darüber befunden werden, wie lange jemand welche Art von Rechner in Betrieb hat bzw. wie oft er einen „dicken" Rechner wechseln oder überhaupt nicht mehr benötigen mag. Und was passiert mit der Software, wenn man den Mietvertrag beendet? Löscht MAGIX sie „aus der Ferne"?
MfG, MLS/BrainWARe