Moin Gemeinde,
ich möchte meine Zeit nutzen, euch an meiner Story teilhaben zu lassen, wie ich dem Rundfunkbeitrag Anfang 2016 entgehen konnte. Sie dürfte insbesondere für eine kleine Gruppe an Studenten interessant sein, die in Wohngemeinschaften in staatlichen Studentenwohnheimen organisiert sind und keinen Einfluss auf den Ein- und Auszug fremder Mitbewohner haben, sprich, wenn die Mitbewohner den WGs von oben herab durch das Studentenwerk zugewiesen werden.
Zu meiner Person: Ich bin als volljährige, zweitstudierende und ehemals erwerbstätige Person, der Person(!) nach beitragspflichtig und kann der Person nach NICHT befreit werden, da ich weder behindert bin und trotz 0€ Einkommens keinen Anspruch auf Bafög oder Hartz4 habe. Auch bin ich kein sonstiger Härtefall, da argumentiert wird, man habe erst sein Vermögen bis auf Sozialhilfeniveau zu schröpfen. Unter dem Motto: Wenn du vom Ersparten gut leben kannst, kannst du auch die "Fernsehsteuer" daraus bezahlen.
Soviel zu meiner Ausgangsposition. Ich gehe das Ganze nun chronologisch an und beschränke mich auf das Wesentliche. Zuvor nur ein Hinweis: Ich bin schreibfaul und sehe den selberernannten Beitragsservice nicht als Service, und mir ist egal, wie die sich rechtlich organisiert haben - für mich ist und bleibt das Konstrukt im Nachfolgenden ganz lapidar eine "Rundfunkanstalt" oder "Anstalt", denn die tatsächliche Rechtsform ist für meine Argumentation nebensächlich.
1. Briefwechsel: Aufforderung zur Anmeldung zum Rundfunkbeitrag
Anstalt: Direkt nach der Ummeldung beim Einwohnermeldeamt in das Studentenwohnheim, kam von der Beitragsanstalt der Brief, man habe erfahren, ich wohne jetzt im jeweiligen Etablissement, man habe aber noch kein Beitragskonto gefunden und ich solle mich daher unter Angabe der Bankverbindung zum Rundfunkbeitrag anmelden.
Ich: Keine Reaktion.
2. Briefwechsel: Zwangsanmeldung
Anstalt: Glückwunsch, Sie haben eine Beitragsnummer und sollen xy EUR zahlen.
Ich: Hatte hier noch wenig Lust zu tiefer Argumentation, und schrieb nur mit dem Verweis darauf zurück, dass ich als einkommensloser Student in einem staatlichen Studentenwohnheim wohne, wechselnde internationale Mitbewohner habe, und daher das Konto zu löschen sei.
(Gedanklicher Hintergrund: Eine WG ist als Ganzes ein Haushalt. Innerhalb dessen muss ein Bewohner den Gesamtbetrag zahlen (auf ihn läuft das Beitragskonto), während sich die anderen mit Verweis darauf, dass der andere bereits für alle zahlt, befreien lassen können. Zivilrechtlich aber: Alle sind zu gleichem Teil verpflichtet, ihren Anteil an denjenigen zu zahlen, der die gesamte Haushaltsabgabe entrichtet. Und genau darin liegt im Folgenden der Hund begraben, auch wenn man zunächst meinen könnte, dass interne Probleme der Anstalt schnuppe sein könnten, solange sie von einem das Geld bekommt. Dem ist aber nicht so, wenn man den Staatsvertrag teleologisch auslegt).
Anstalt: Zurück kam ein Standardbrief mit Textbausteinen für Reichsspinner bezüglich deren üblicher GG-Argumentation und für solche, die meinen, sie könnten mit verbotenen "Verträgen zulasten Dritter" argumentieren (auch das ist Quatsch). Das alles ist langweilig und nicht mein Niveau, denn weder lehne ich die Anstalt als solche ab, noch meine ich einen zivilrechtlichen Vertrag einzugehen - aber egal. Zusätzlich wurde mir angeboten mich befreien zu lassen (was ich aber nicht kann).
Ich: Antwort mit erneutem Hinweis auf o.g. Wohnsituation, ohne konkret zu werden, unter Provozierung eines endgültigen Festsetzungsbescheides durch die Rundfunkanstalt.
Anstalt: Irgendwann kam dann zwischen vielen Bettelbriefen und einem angesammelten Rückstand von >200€ ein Festsetzungsbescheid: Ich habe mich schließlich nicht befreien lassen, auch gäbe es sachlich keinen Grund nicht zahlen zu müssen, daher würde der Betrag nun festgesetzt werden. Wichtig: Ab hier galt es die Widerspruchsfristen einzuhalten und schnell konkret zu werden.
3. Fortsetzung: Widerspruchsverfahren
Ich: Zögerte es zunächst hinaus. Daher fristgemäß: "Hiermit lege ich Widerspruch ein, Begründung folgt. Zudem beantrage ich Aussetzung der Vollziehung".
Anstalt: Nach mehreren Wochen dann erwartungsgemäß: "Ihr Widerspruch ist eingangen, Begründung für Widerspruch sowie AdV erbeten".
Ich: Nun musste mit konkreten Paragraphen argumentiert werden, um den Standardschreiben zu entgehen. Meine konkrete Argumentation: Zwar wurde bereits gerichtlich entschieden, dass WGs in Studentenwohnheime grds. beitragspflichtig SIND. Jedoch: Laut Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sind per Katalog u.a. Asylbewerberheime, Internate und Hotels vom Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ausgenommen. Meine Argumentation: Ziel des Gesetzgebers und Sinn und Zweck der Vorschrift sei gewesen, dass bei häufig und schnell wechselnden Mitbewohnern es nicht möglich sei, von diesen den anteiligen Beitrag einzufordern, zudem sei es mir als von der Anstalt auserkorener Zahlungsverpflichteter in Vertretung für die ganze WG gar nicht möglich, die Beiträge einzutreiben, da ich teilweise weder Namen noch Adressen der Mitbewohner kennen und auch nicht erfahren kann, da sie willkürlich, auch wenn ich nicht da bin, vom Studentenwerk ein- und ausquartiert werden. Dies sei höchstens der Rundfunkanstalt möglich, die die Daten schließlich direkt von der Meldebehörde bekämen - ich jedoch nicht. Dies hätte auch die Politik erkannt und aus dem Grund die Ausnahmen eingeführt. Analog dazu sei daher der Katalog nicht abschließend zu betrachten, sondern schließe, wenn auch nicht ausdrücklich genannt, auch solche WGs ein, in denen die Mitbewohner (ähnlich eines Hotels/Asylbewerberheimes/Internats) häufig im Wochentakt wechseln, oft nicht anwesend sind und daher keine vergleichbare Hausgemeinschaft bilden, wie dies beispielsweise in sich selbst verwaltenden WGs oder Familienhausgemeinschaften oder sonstigen längerfristigen Gemeinschaften der Fall ist. Daher falle ich zwar persönlich, nicht aber sachlich unter den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, da die WG nicht als Wohnung im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zu betrachten sei. Das Konto sei daher aufzulösen.
Zudem zeigte ich mich offen und verwies darauf, dass sie doch zur weiteren Beweisaufnahme im Wege der Amtshilfe das Studentenwerk zur Wohnsituation befragen könnte, bevor sie mich nochmal in Anspruch nehmen.
Zudem beantragte ich Aussetzung der Vollziehung, da es nicht zuzumuten sei, einen Studenten mit 0€ Einkommen um sein Erspartes zu bringen, zumal keine Gefahr im Vollzug bestehe. Hierzu nannte ich die entsprechenden §§ der Verwaltungsgerichtsordnung / des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Ergebnis
Es kam nie mehr was zurück und ich habe seitdem keine einzige Rechnung mehr bekommen. Die Rundfunkanstalt hat den Widerspruch in Bearbeitung genommen und das Konto kommentarlos gelöscht.
Im Ergebnis kann ich daher nur dazu ermutigen, dass es sich viel mehr lohnt, die Rundfunkanstalt als solche anzuerkennen und als solche zu behandeln, statt mit abwegigen Theorien aus (leider weit verbreiteter) falscher Verfassungsauslegung zu argumentieren. Bleibt stattdessen so nahe am Gesetz wie möglich, dann stehen die Chancen gut, dass eure Argumentation akzeptiert wird. Und ja: Man braucht ein dickes Fell, die Zahlungsaufforderungen so lange zu ignorieren, um dann umso schneller mit konkreter Gesetzesargumentation aktiv zu werden, wenn es zwingend sein muss, nämlich beim Ergehen des Festsetzungsbescheids. Für Leute ohne verwaltungsrechtlichen Hintergrund dürfte das zweifellos schwierig und oft psychisch belastend sein. Ich und viele andere helfen aber solchen Leuten in der Regel gern weiter.
Im Einzelfall bin ich gern bereit anderen Studenten/Azubis meine Argumentationsschreiben im Original weiterzugeben, dafür bitte per PN anschreiben. Ich wünsche an der Stelle allen Kämpfern und Studenten in meiner damaligen Situation viel Erfolg. Bestimmt gibt es über Studentenwohnheime hinaus viele weitere staatliche Wohneinrichtungen, in denen Austauschprogramme stattfinden und o.g. Argumentation problemlos greift.
Keine Ahnung wie der Text im Netz ankommt, aber falls er verbreitet werden sollte, bitte ich nickles zuliebe darum, den Text nicht in irgendwelche anderen Foren zu kopieren, sondern fairerweise einen Link auf diesen Beitrag zu setzen.