Allgemeines 21.940 Themen, 147.611 Beiträge

News: Skandalöses Urteil des Langericht München

Skrupellose Filesharing-Oma freigesprochen!

xafford / 194 Antworten / Flachansicht Nickles

Die Justiz treibt immer ärgere Blüten - dies geht sogar so weit, dass arme und hungernde Rechteverwerter nun mittlerweile nicht einmal mehr pauschal Recht bekommen und sogar ihre Ansprüche beweisen müssen. Folgender Sachverhalt:

Recht so!

Eine Rentnerin aus Berlin erhielt im Jahr 2010 unschöne Post einer Anwaltskanzlei - eine Abmahnung über rund 650 Euro für das Anbieten eines Hooligan-Films (jeder weiß ja wie sehr betagte Berlinerinnen in der Hooligan-Szene aktiv sind). Mittlerweile kann man schon sagen: So weit nichts neues. Jedoch gab es in diesem Fall eine kleine aber absonderliche Seltsamkeit - die besagte heimtückische Raub-Mord-Seniorin hatte boshafterweise weder einen PC, noch einen Router oder ein Modem, sondern nur einen gekündigten DSL-Vertrag mit einem Provider bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Als sei diese Heimtücke noch nicht verwerflich genug, wagte es die Rentnerin sogar, sich gegen diese Abmahnung zur Wehr zu setzen was schließlich im Jahr 2011 vor dem Amtsgericht in München verhandelt wurden.

Der tapfere und aufrechte Richter des AG München jedoch lies sich nicht von der gemeinen Vertuschungs-Aktion böswilligen Seniorin täuschen und verurteilte sie zur Zahlung der Abmahgebühren nebst Zinsen, da sie nach Ansicht des Gerichts (es muss sich wohl um ein Mittagsgericht gehandelt haben, denn diese sind meist recht geschmacklos) nicht beweisen konnte, dass sie die Urheberrechtsverletzung NICHT begangen habe - wo kämen wir auch hin, wenn arme Rechteverwerter ihre Ansprüche noch eingehender belegen müssten als durch einen Zettel mit vier Zahlenpaaren (IP-Adresse) was bekanntermaßen ein unfehlbarer Beweis ist.

Alles hätte so schön sein können - der bekannten Gerechtigkeit der deutschen Gerichte wäre genüge getan - aber nein, die rabiate Renterin lies nicht locker und ging gar in Berufung - und nun kommt der Skandal! Hat doch tatsächlich das Landgericht München I nun entschieden, dass die Ansprüche der abmahnenden Kanzlei vollumfänglich zurück gewiesen werden und die Rentnerin nicht zahlungspflichtig sei! Und als sei dies nicht schon frevelhaft genug: Das LG hat die Entscheidung des Amtsgerichtes quasi noch gerüffelt.

xafford meint:

Es gibt Dinge, die sind so absurd, dass man ihnen nur mit Sarkasmus begegnen kann und in meinen Augen ist dies einer davon. Hier muss sich tatsächlich eine ältere Dame durch die Mühlen der Justiz quälen um ein Urteil zu bekommen, wofür der gesunde Menschenverstand eines - nicht notwendigerweise allzu schlauen - Dreijährigen ausreichen würde.

Zwar gibt es außerhalb des Strafrechtes kein "Im Zweifel für den Angeklagten", jedoch wird es grotesk, wenn jemand seine Unschuld extra beweisen muss bei dem sämtlicher Augenschein eine Schuld ausschließt. Noch grotesker wird dies, wenn man bedenkt, dass die "Beweise" der abmahnenden Kanzlei hier in einem Zettel mit einer Zahlenkolonne besteht deren Korrektheit durch das Gericht in keinster Weise überprüft werden kann. Wie weit muss ein Richter, der in so einem Fall eine Rentnerin ohne PC und Zugangsmöglichkeit zum Internet zur Zahlung der Abmahnung verurteilt, den gesunden Menschenverstand schon hinter sich gelassen haben? Hätte dieses Urteil Bestand gehabt dann wäre die Quintessenz quasi: Der Besitz eines Internetanschlusses macht Dich zum Freiwild!

Pauschalurteile sind immer falsch!!!
bei Antwort benachrichtigen
Siehe z.B. ... Borlander
Ich bin schneller. kongking
Och ne, selbst du... kongking
Yap g SoulMaster SoulMaster
Definitiv nein. presla
Max Payne dirk42799 „Aus den langen Jahren meines Jurastudiums. - Daher gilt in ...“
Optionen
Für Argumente hingegen wäre ich empfänglich, weshalb der Nachweis über die IP zweifelbar wäre/ist.

Weil es anscheind nicht immer so ist, dass die Uhren der Provider mit denen der Anti-Piracy-Unternehmen synchron laufen.

Und da kam das LG Köln (die Strafkammer!) vor einigen Jahren zu eindeutigen Ergebnissen:

Dass die Zuverlässigkeit der ausgespähten IP-Adressen nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben der Staatsanwaltschaft, die schon öfter offensichtliche Mängel bei der IP-Adressen-Auflösung beobachtet hat. So hat sie beispielsweise zunehmend beobachtet, dass bei der Abfrage von IP-Adressen Provider rückgemeldet haben, zu dem betreffenden Zeitpunkt habe zu der konkreten IP-Adresse keine Session gefunden werden können; dies könne - so folgert die Staatsanwaltschaft zu Recht - nur bedeuten, dass unter den zur Anzeige gebrachten angeblichen Taten auch solche waren, die es nicht gegeben habe. Dies habe man nur zufällig aufdecken können, weil die angeblich benutzte IP-Adresse zum betreffenden Zeitpunkt überhaupt nicht in Benutzung gewesen sei. Ob und wie oft eine mitgeteilte IP-Adresse zur Tatzeit von einem Unbeteiligten anderweitig genutzt worden sei, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen; man könne insoweit nur Vermutungen anstellen. Derartige Fehlverknüpfungen sind nach der Erfahrung der Staatsanwaltschaft auch kein seltenes oder vereinzeltes Phänomen. Bei einigen Verfahren habe - so die Staatsanwaltschaft - die Quote der definitiv nicht zuzuordnenden IP-Adressen deutlich über 50% aller angezeigten Fälle gelegen, bei einem besonders eklatanten Anzeigenbeispiel habe die Fehlerquote sogar über 90% betragen. Ergänzend wird auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Köln zum Gutachten Prof. T2 vom 3.7.2008 (Blatt 158 ff.) Bezug genommen. Erklärlich erscheinen solche Zuordnungsprobleme der Kammer etwa durch Schwierigkeiten bei der Zeitnahme - sowohl beim ermittelnden Unternehmen als auch beim Provider.

(LG Köln, Beschluss vom 25.09.2008, Az. 109-1/08, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2008/109_1_08beschluss20080925.html )

Mittlerweile ist davon in der Rechtsprechung keine Rede mehr. Das LG Hamburg geht von einer "vernachlässigbaren" Anzahl von fehlerhaften IP-Zuordnungen aus. Klar - wenn der Provider eine Session findet und die Verkehrsdaten herausgibt, ist dieser Anschlussinhaber aus Sicht der Justiz und der Rechteinhaber der Schuldige. Den Beschuldigten trifft dann die sekundäre Darlegungslast, dass er nicht der Täter ist. Und da muss er seine Ausführungen tatsächlich beweisen (http://www.ferner-alsdorf.de/2012/07/filesharing-abmahnung-ich-wars-nicht-reicht-nicht/).

Wo Du da die Analogie zur strafrechtlichen Unschuldsvermutung siehst, vermag ich nicht zu erkennen. Mittlerweile ist die Rechtsprechung in Urheberrechtsdingen so gefestigt (man könnte auch "verfahren" sagen), dass es nahezu unmöglich ist, sich gegen falsche Anschuldigungen zur Wehr zu setzen.
The trouble with computers is that they do what you told them – not necessarily what you wanted them to do.
bei Antwort benachrichtigen